Vorschlag für eine politische Innovation

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Interventionsministerium zur Abschätzung der Folgen und Planung (v.a. ziviler) Anschlussmaßnahmen militärischer Interventionen

Version 1.0/3.0, 08.05.2009

Inhalt

ZusammenfassungÜbersicht

Durch die Schaffung einer kompetenten zivilen Planungsbehörde sollen militärische Interventionen sehr schnell in einen gut durchdachten und nachgewiesenermaßen aussichtsreichen technischen und politischen Aufbau übergehen, der nicht vom Militär gesteuert würde. Dadurch werden militärische Aktionen kürzer, billiger, im Ergebnis besser und dadurch in vielen Fällen überhaupt erst durchführbar.

Ausgangslage – das Problem – Übersicht

Die militärischen Interventionen der NATO oder mancher Mitgliedstaaten in den letzten Jahren waren im Ergebnis überwiegend desaströs:

  1. Einmarsch der USA u.a. im von Irak besetzen Kuweit 1990 (Desert Storm)

    Das primäre Kriegsziel wurde erreicht, allerdings mit einem gigantischen Aufwand. Weder hat das militärische Eingreifen zu einer relevanten Demokratisierung Kuweits beigetragen, noch hat sich Irak dadurch politisch positiv entwickelt.

  2. der US-Einsatz zur Unterstützung der UNO-Truppen in Somalia 1993

    Das Einsatzziel wurde nicht erreicht. Der Abzug hatte den Charakter einer Flucht. Das Land wurde in einem chaotischen Zustand zurückgelassen.

  3. der NATO-Luftkrieg im Kosovo und in Serbien 1999 mit der anschließenden Stationierung von KFOR

    Militärisch waren die Aktionen der NATO jämmerlich. Anstatt das als Einsatzgrund genannte Problem zu beheben – die Übergriffe gegen Zivilisten im Kosovo –, wurde Serbien durch massive Bombardierungen zum Rückzug gezwungen. Der Einsatz dauerte 76 Tage und forderte nach NATO-Angaben etwa 5000 zivile Opfer.

    Die Präsenz von KFOR ist ein trauriger Dauereinsatz. Eine echte Entspannung zwischen den Konfliktparteien ist nicht in Sicht. Bei einem Abzug der KFOR in überschaubarer Zeit wird mit einem Wiederaufflammen der Gewalt gerechnet. Durch die Unabhängigkeitserklärung des Kosovo hat sich die politische Lage anders entwickelt als von der EU gewünscht. Es entstand der Eindruck, als würde die EU durch terroristische Drohungen der (ehemaligen) UCK geradezu erpresst.

  4. der Einmarsch v.a. der USA in Afghanistan 2001

    Sieben Jahre später ist die Situation in Afghanistan katastrophal. Nicht einmal mehr die Hauptstadt Kabul ist mehr sicher und wird inzwischen von NATO-Truppen geschützt. Durch die jahrelangen erheblichen zivilen Opfer der Terrorbekämpfung mit militärischen Mitteln leidet die Unterstützung der Bevölkerung erheblich. Echter Fortschritt ist nirgendwo zu sehen.

  5. Die US-Invasion des Irak 2003

    Der teuerste und verlustreichste Einsatz der US-Streitkräfte seit Vietnam, mit gigantischen Verlusten in der irakischen Zivilbevölkerung (mehr als 100.000 Tote), nicht durch die militärischen Aktionen der Amerikaner, sondern durch die nicht unter Kontrolle gebrachte Gewalt im Land. Geradezu das Vorzeigebeispiel für einen völlig misratenen Militäreinsatz.

Natürlich haben sich auch andere Mächte militärisch gegen drastisch unterlegene Gegner schon nach Kräften blamiert:

  1. Israels Dauerkonflikt mit den palästinensischen Terrororganisationen

    Sie haben schon alles versucht: Dauerhafte Besetzung des Gaza-Streifens; Abriegelung des Gaza-Streifens; gezielte Tötung von Führungspersonal der Terroristen mit militärischen Mitteln; mehrfacher Einmarsch im Libanon; anhaltende Angriffe der Luftwaffe, die unvermeidlich zivile Verluste mit sich bringen. Die Situation wird auch nach Jahrzehnten des Konflikts nicht besser.

  2. die russische Besetzung Afghanistans

    Noch desaströser als der aktuelle NATO-Einsatz dort, allerdings waren damals nicht nur Aufständische die Gegner, sondern letztlich auch die USA.

Problemursachen

Natürlich sind die genannten Fälle nicht vergleichbar, aber die Probleme haben einen gemeinsamen Kern. Konflikte in dauerhaften Spannungsfeldern lassen sich nicht durch militärisches Eingreifen nachhaltig lösen. Dennoch versagt der Westen immer wieder nach demselben Muster: Er beschränkt sich in seiner (sichtbaren) Planung auf militärische Aspekte. Angesichts der immensen finanziellen, menschlichen und politischen Folgen drängt sich die Frage auf, woran das liegt. Vermutlich sind einfach die verantwortlichen Instanzen nicht besonders clever und haben Probleme mit dem Blick über ihren Tellerrand und/oder mit den Kompetenzen, die für einen besseren Ansatz nötig wären. Wer plant solche Einsätze und bewertet die Szenarien? In erster Linie Militärs. Natürlich haben die Außenpolitiker bei Entscheidungen für militärische Interventionen erheblichen Einfluss, aber die sind in solchen Einsatzgebieten nicht ernsthaft aktiv, sie steuern keine Ressourcen vor Ort, die für die soziale und staatliche Entwicklung in einem besetzten Gebiet relevant sind.

Nach Meinung des Verfassers ist das Kernproblem "gut gemeinter" militärischer Operationen, dass es nur für den militärischen Teil einen etablierten Apparat gibt. Das bedeutet im einzelnen:

Diese Ursachen haben möglicherweise auch zur Folge, dass militärische Operationen begonnen werden, die man besser gelassen hätte, weil ihre elenden Folgen absehbar waren, aber genauso umgekehrt, dass sinnvolle Einsätze unterbleiben, weil nicht gesehen wird, was man mit den praktisch vorhandenen Möglichkeiten Gutes hätte bewirken können. Ganz zu schweigen davon, dass ein objektiverer Blick auf die Welt erreicht werden könnte: Gegenwärtig ist es mehr oder weniger vom Zufall abhängig, wo der Westen eingreift. In Region A reichen dafür tausend Tote aus, in Region B braucht es eine Million; auf politische Selbstmordkommandos lässt der Westen sich ein, wo er produktiv tätig werden könnte, bleibt er untätig. Deshalb ist dieser Vorschlag weltanschaulich neutral: Die im folgenden skizzierte Verbesserungsmöglichkeit politisch-militärischer Planung folgt weder einer pazifistischen noch einer interventionistischen Linie. Die praktischen Folgen, die sich aus ihrer Umsetzung ergeben, sind von den Einzelfällen und den bewilligten Ressourcen abhängig. Es ist sowohl vorstellbar, dass durch die geforderte politisch-administrative Instanz mehr Militäreinsätze stattfinden, als auch, dass sich ihre Zahl reduziert. Sicher ist, dass sie sehr viel besser verlaufen, kürzer, billiger und weniger schmerzhaft sein würden.

Problembewusstsein

Die riesigen Probleme nicht bei, sondern infolge militärischer Interventionen kann man als prägenden Aspekt jedweder Außenpolitik ansehen, von einer Supermacht wie den USA (die – siehe Irak und Afghanistan – vor diesem Problem nicht gefeit sind) bis hin zu einem Gewaltvermeider wie Deutschland.

Dass der Westen den Einsatz von Besatzungstruppen hasst wie der Teufel das Weihwasser, ist allen bekannt, also insbesondere auch den jeweiligen Gegnern, deren Spielraum sich dadurch, dass sie eine Invasion mit Bodentruppen kaum zu fürchten haben und aus der Luft alleine kaum zu bezwingen sind (siehe die Bombardierung Serbiens im Kosovokonflikt und die regelmäßigen Militäraktionen der Israelis gegen Hisbollah und Hamas), immens vergrößert. Die militärische Drohkulisse des Westens in bezug auf die wirkliche Beseitigung einer Konfliktpartei ist nicht glaubwürdig (und wird daher gar nicht erst aufgebaut – im Gegenteil: Ausschluss des Einsatzes von Bodentruppen im Vorfeld der Serbienbombardierung).

ZielÜbersicht

Das Ziel sollte immer – ein so trivialer, dennoch bisher weltfremder Gedanke – ein sinnvoller Einsatz militärischer Mittel sein. Das heißt, dass alle o.g. Probleme zu vermeiden sind. Der Politik werden konkrete realistische Szenarien für (natürlich zusammenhängende) kurz-, mittel und langfristige Ziele in der jeweiligen Konfliktregion präsentiert, und zu jeder Variante existiert ein klarer Plan, wie – militärische Präsenz, ziviler Aufbau, nation building, Entwicklungshilfe – dieses Ziel erreicht wird, so dass im politischen Diskurs geklärt werden kann, welche Kombination aus Ziel und benötigten Ressourcen man auswählt. Vermieden würden die klassischen "Vorgehensweisen":

  1. Vorgehen ohne jedes konkrete realistische Ziel

  2. Benennung eines Ziels und dafür nicht ausreichender Ressourcen

  3. Viel finanzielle Aufbauhilfe wird in einer unfähigen und korrupten Verwaltung versenkt

Erreicht werden soll diese Änderung der politischen Verhältnisse dadurch, dass ein neuer Planungs- und Verwaltungsapparat geschaffen wird, der ausreichend mächtig ist, um beiden Aufgaben gerecht zu werden, insbesondere ein geeignetes Gegengewicht zum militärischen Apparat zu bilden, dem die Kontrolle nach dem Ende von Kampfhandlungen schnellstmöglich entzogen werden soll, weil er dafür erwiesenermaßen schlicht nicht geeignet ist.

Benötigt wird also eine Behörde oder ein Ministerium, das in "Friedenszeiten" die existierenden und wahrscheinlichen zukünftigen Krisenregionen analysiert und dementsprechend Pläne für die unterschiedliche Ziele eines Einsatzes dort erstellt. Außdem gäbe es eine von der Region relativ unabhängige Planung des Managements der dort benötigten Ressourcen:

Natürlich ist es völlig abwegig, dass man in Deutschland ein Ministerium schafft, dass sich der umfassenden Planung offensiver militärischer Einsätze widmet... Aber das Problem ist kein speziell deutsches. Bei den Amerikanern sieht das anders aus; insbesondere nach der beispiellosen Geldvernichtung im Irak dürften die ein erhebliches politisches Interesse daran haben, Verbesserungen bei zukünftigen Einsätzen zu erreichen. Die deutsche Perspektive dagegen kann nur eine EU-Institution sein. Diese Institution müsste, um nicht als Papiertiger zu enden, relativ frei von politischem Einfluss sein, etwa in der Art der Rechnungshöfe. Die Regierungen schlagen – national oder auf EU-Ebene (diese Institution wäre natürlich auch bei nationalen Alleingängen sinnvoll, auch wenn die wenig wahrscheinlich sind) – etwas vor, die Parlamente wenden sich an dieses "Interventionsministerium" (ItvM), um eine halbwegs neutrale Darstellung der Konsequenzen zu bekommen. Ein legitimer politischer Einfluss wäre, dass die nationalen Regierungen sich mit dem ItvM darüber austauschen, wie sie bestimmte Aspekte beurteilen. Es ist nicht notwendig und wohl auch gar nicht erstrebenswert, dass am Ende für die einzelnen Aspekte des Vorhabens nur jeweils eine Prognose abgegeben wird, weil auch seriöse Abschätzungen immer ein Stück weit Interpretationssache sind.

Nebenziele, positive Nebeneffekte, weitere Betroffene

Abschreckung

Da das Ziel dieses Vorschlags ist, unsinnige Einsätze zu unterlassen, indem die langfristige Planung realistisch ist, werden dadurch auch Einsätze denkbar, die heute nur reflexartiges Entsetzen bei den politischen Akteuren auslösen würden (etwa der Einsatz von Bodentruppen zur Stürzung eines Regimes und zur mittelfristigen Besetzung einer Region). Gerade wegen der Nichtvermittelbarkeit solcher Einsätze in der Öffentlichkeit der westlichen Demokratien haben die Machthaber in Krisenregionen, die potentielles Ziel eines solchen Einsatzes sind, praktisch nichts zu befürchten und können den Diplomaten auf der Nase herumtanzen.

Scheinbar widersprüchlich kann so die Verfügbarkeit militärischer Gewalt als realistische Option gerade dazu führen, dass viel weniger darauf zurückgegriffen werden muss, weil durch die plötzlich glaubwürdige Drohkulisse die Diplomatie sehr viel machtvoller wird, das sie eben nicht mehr gezwungen ist, schlimmstenfalls gute Miene zum bösen Spiel zu machen.

Entwicklungshilfe

Das wohl größte Problem bei Entwicklungshilfe ist, dass sie kein Interesse daran hat, sich überflüssig zu machen. Ihr wird vorgeworfen, viel weniger zur Entwicklung der Unterstützen beizutragen, als sie könnte. Das ist möglich, weil die einzelnen Entwicklungshilfeprojekte in der allgemeinpolitischen Öffentlichkeit kein nennenswertes Interesse erfahren und Entwicklungshilfe von der Gesellschaft als dauerhaftes Projekt angesehen wird.

Die Ausrichtung und notwendigerweise Denkhaltung des ItvM wären ganz anders. Dort würde mit schnellem und messbarem Fortschritt kalkuliert, alle "Projekte" sollen nur von deutlich begrenzter Dauer sein. Deshalb ist denkbar, dass sich aus dem ItvM ein positiver Einfluss auf die Entwicklungshilfe ergibt, eine Art Controlling. Das liegt deshalb nahe, weil die ItvM-Fragestellungen denen der Entwicklungshilfe verwandt sind.

Umgekehrt kann man die Adressaten normaler Entwicklungshilfe als Trainingsmöglichkeit für den gesellschaftlichen Aufbau in Krisenregionen nutzen, was im Ergebnis natürlich einer (temporären) Aufstockung der Entwicklungshilfe gleichkäme. Angesichts der horrenden Kosten der Militäreinsätze erscheint das aber als sehr lohnende Investition. Diese Möglichkeit findet ihre Grenzen in der Kooperation der jeweiligen Regierung. In einem souveränen Staat kann man natürlich nicht so schalten und walten wie in einem besetzten Gebiet. Andererseits gibt es derart viele Kandidaten, dass sich welche finden werden, die sich dafür dankbar zur Verfügung stellen. Solche Testoperationen wären dann eher räumlich als qualitativ beschränkt (aus Kostengründen). Man würde also den Aufbau einer kleinen Region anstelle eines ganzen Staates betreiben.

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Das ist natürlich erfreulich... Nehmen Sie das doch zum Anlass, sich anzusehen, zu welchen anderen Themen ich Vorschläge veröffentlicht habe. Auch wenn Sie diesen Text positiv bewerten, gibt es sicher Details, die Sie anders sehen. Ich freue mich, wenn Sie mir Ihre Anmerkungen per E-Mail mitteilen.

Und wenn Sie Unternehmer oder in geeigneter Position in einem Unternehmen tätig sind, das an Innovationen interessiert ist, dann sind vielleicht meine kommerziellen (nicht veröffentlichten) Konzepte für Sie von Interesse. Ich freue mich in dem Fall über Ihre Kontaktaufnahme.

Ihre Einschätzung ist für mich natürlich bedauerlich. Aber auch wenn ich wahrscheinlich nicht zu Ihrer Ansicht wechseln werde, möchte ich Sie doch ermuntern, mit per E-Mail mitzuteilen, was Sie problematisch finden (und ggf. warum).

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1.0 (08.05.2009)