Vorschlag für eine arbeitsmarktpolitische Maßnahme

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Verdrängungseffekte von 1-EUR-Jobs durch Quotierung neutralisieren

Version 1.4/3.3, 07.10.2009

Inhalt

Ausgangslage – das ProblemÜbersicht

Das Thema Niedriglohn hat mehrere Problemfelder:

  1. Eine politische Richtung lehnt Beschäftigung zu einem vom Arbeitgeber gezahlten Lohn unterhalb eines Mindestlohns aus ideologischen Gründen grundsätzlich ab. Auf dieses Problem geht der folgende Vorschlag nicht ein.

  2. Ein praktisches Problem ist, dass sich in Deutschland Niedriglohnbranchen bilden. Unternehmen verstehen Lohndumping als Wettbewerbsvorteil. Es soll sogar schon so weit sein, dass solche Unternehmen ihren Wettbewerbern im europäischen Ausland von Deutschland aus Konkurrenz machen, weil im Ausland Mindestlöhne gezahlt werden müssen.

    Dieses Phänomen kann man auch als Verfechter des freien Marktes kritisieren. So ist zu erklären, dass einige Unternehmerverbände in Deutschland für ihre Branche einen Mindestlohn fordern, um den Wettbewerb auf dem Rücken der Arbeitnehmer zu beenden.

  3. Auch wenn man Niedriglohnjobs nicht rundheraus ablehnt, sind mit ihnen einige Probleme verbunden.

    Die 1-EUR-Jobs stehen in der Kritik, weil sie das Risiko von Verdrängungseffekten beinhalten. Wenn ein Unternehmer 1-EUR-Jobber einstellen kann, stellt er statt dessen keine regulären Mitarbeiter ein – oder entlässt sogar welche. Der Bundesrechnungshof beanstandet, dass nur etwa 25% der 1-EUR-Jobber nachweislich solche Tätigkeiten ausführen, für die sie gedacht sind. Bei weiteren 25% ist das erwiesenermaßen nicht der Fall. Bei den restlichen 50% war eine Bewertung auf Grund der bei der BA verfügbaren Daten gar nicht möglich.

    Die 1-EUR-Jobber werden also schon bewusst als reguläre Arbeitskräfte eingesetzt. Dass sie dies aber nur im Umfeld kommunaler Dienstleistungen tun, muss volkswirtschaftlich nicht die effizienteste Lösung sein (und auch nicht im Interesse der Betroffenen).

Dieser Vorschlag befasst sich damit, wie Niedriglohnjobs massenhaft eingesetzt werden könnten, um die meisten Arbeitslosen in (staatlich bezuschusste) Beschäftigung zu bringen, ohne sich die genannten Probleme einzuhandeln.

Dieser Vorschlag ist nicht als Alternative, sondern als Ergänzung zu Mindestlöhnen gedacht. Mindestlöhne helfen auf keinen Fall dabei, die Arbeitslosigkeit zu reduzieren. Deshalb müssen sie vernünftigerweise von einem Konzept für die Arbeitslosen begleitet werden. Die Kombination von Mindestlohn und dem folgenden Vorschlag könnte die Anzahl kritischer Arbeits- und Lebensverhältnisse minimieren:

  1. Die Regulär-Beschäftigten haben dank Mindestlohn ein Einkommen, das vom Staat nicht aufgestockt werden muss.

  2. Diejenigen, die keinen regulären Arbeitsplatz finden, können beschäftigt werden (zu deren Vorteil und gleichzeitig dem der Sozialkassen), ohne dadurch Wettbewerbsverzerrungen zu riskieren.

Dieser Vorschlag ist weniger ein Plädoyer für eine Art Bürgergeld, sondern soll zeigen, wie man Niedriglohnempfänger, wenn man sich denn entschieden hat, sie zuzulassen, am besten in die Volkswirtschaft integriert.

Problembewusstsein

Jeder weiß es, keiner tut was.

Ein vermutlich nicht unerheblicher Teil des Problems ist der Interessenkonflikt des Staates. Weil 1-EUR-Jobber vor allem von den Kommunen eingesetzt werden (denen sie nicht nur Kosten sparen, sondern über die Verwaltungspauschale, die die BA ihnen zahlt, echtes Geld einbringt), hätte der Staat selber darunter zu leiden, wenn er gegen den Missbrauch von 1-EUR-Jobbern vorginge.

Ziel

Gemäß der Erkenntnis, dass nur verteilt werden kann, was auch erwirtschaftet wird, hält der Verfasser es für erstrebenswert, alle Arbeitslosen arbeiten zu lassen, so produktiv es eben geht. Das zementiert zwar eine Zwei-Klassen-Geselslchaft der Arbeitnehmer, aber das ist objektiv für alle Beteiligten besser, als die Arbeitslosen arbeitslos zu lassen und sich irgendwelchen Märchenvisionen von Vollbeschäftigung hinzugeben. Der durch diese Maßnahme zusätzlich erwirtschaftete Wohlstand kann dann den 1-EUR-Jobbern zugute kommen (etwa in Form einer Anhebung des Regelsatzes; wenn man auf diese Weise alle in den Arbeitsmarkt bekommt, besteht kein Motivationsproblem).

Die spannende Frage ist nun, wie man aus 1-EUR-Jobbern mehr oder weniger reguläre Arbeitskräfte machen kann, ohne den Arbeitsmarkt dadurch kaputt zu machen.

Das Ziel ist eine Rechtslage,

LösungÜbersicht

Der Ansatz ist, die Arbeitslosen, für die es keine regulären Arbeitsplätze (also solche, für die der Mindestlohn gezahlt wird) mehr gibt, gleichmäßig auf die Volkswirtschaft zu verteilen, um auf diese Weise einerseits Ballungen zu vermeiden (die Voraussetzung für systematischen Missbrauch sind) und dadurch die Arbeitslosen (und regulären Arbeitnehmer) zu schützen und andererseits den Nutzen der billigen (wenn auch weniger produktiven) Arbeitskräfte gleichmäßig zu verteilen, also Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern.

Wenn man Unternehmen (und der öffentlichen Hand) gestattet, bis zu einer prozentualen Höchstgrenze 1-EUR-Jobber einzustellen, scheint die Missbrauchsmöglichkeit gebannt: Es wird der Anteil an 1-EUR-Jobbern festgelegt, den jeder Betrieb haben darf (also die Quote, für jeweils wie viele nichtbezuschusste Mitarbeiter der Betrieb einen Niedriglohn-Arbeitslosen bekommt). Wenn das Unternehmen reguläre Arbeitsplätze abbaut, muss es eventuell (falls es unter die nächste Schranke fällt) auch auf Niedriglohn-Arbeitslose verzichten.

Der Vorteil daran ist, dass keine Wettbewerbsverzerrungen auftreten, von Kleinbetrieben abgesehen (die zu wenige Mitarbeiter haben, um auch nur einen einzigen Niedriglohn-Arbeitslosen einstellen zu dürfen; außerdem leiden Kleinbetriebe unter den Rundungseffekten).

Quotenfestlegung

Die Quote soll so gewählt werden, dass

  1. die Nachfrage zumindest alle arbeitswilligen Arbeitslosen abdeckt

  2. die wirklich nachfragenden Unternehmen insgesamt etwas mehr Arbeitslose einstellen könnten, als zur Verfügung stehen.

Der erste Ansatz bei der Quotenermittlung: Man würde die Anzahl der Arbeitslosen, die man dafür zur Verfügung stellen will (also wohl alle außer denen, die man gerade weiterbildet) und denen man einen ausreichenden Arbeitswillen unterstellt (dieser Wert würde sich im Laufe der Zeit durch die gewonnenen Erfahrungen entwickeln), auf die Gesamtzahl der (regulären) Arbeitnehmer (bei Kleinbetrieben mag man den Inhaber/Geschäftsführer mitzählen) umrechnen. Dieser Wert ist aber zu niedrig, weil er zwei Effekte unterschlägt:

  1. Nicht alle Unternehmen haben Bedarf an (so vielen) Niedriglohn-Arbeitslosen (wie sie einstellen dürfen).

  2. Bei den Kleinunternehmen macht sich das Rundungsproblem bemerkbar. Wenn man beispielhaft 1:6 als Quote festlegt, dann können Betriebe mit höchstens fünf Mitarbeitern gar keinen einstellen, Betriebe mit sieben bis elf Mitarbeitern nur einen.

Es bleiben also Arbeitslose übrig, die wegen der Quotierung nicht von anderen Unternehmen eingestellt werden können. Das kann nicht Sinn der Maßnahme sein. Den entsprechend korrigierten Wert sollte man dann noch geringfügig erhöhen. Dadurch, dass die Unternehmen entwas mehr Arbeitslose einstellen könnten, als zur Verfügung stehen, entsteht eine Wettbewerbssituation auf der Nachfrageseite.

Eine reizvolle Variation wäre, keine starre Quote vorzugeben, sondern den Anteil zulässiger 1-EUR-Jobber vom Lohnniveau des Unternehmens abhängig zu machen. Wer nur den Mindestlohn/Aufstocker-Satz zahlt, dürfte dann gar keine bzw. prozentual wenige 1-EUR-Jobber beschäftigen, Unternehmen mit besser bezahlten Angestellten viele.

Bedarf

Haben überhaupt genügend Unternehmen Bedarf an Mitarbeitern ohne passende Ausbildung? Für eine hinreichend kleine Quote ist das anzunehmen. Die meisten Arbeitnehmer führen nicht nur Arbeiten aus, die ihrer Qualifikation entsprechen. Einfaches Beispiel: Bevor ein Handwerker etwas bauen kann, muss er sich das Material beschaffen. Das kann in den meisten Fällen aber wirklich jeder. Wenn ihm diese Arbeit abgenommen wird, kann er sich auf höherwertige Arbeiten beschränken – seine Produktivität steigt.

Preisfestlegung

Was müssen die Unternehmer für die 1-EUR-Jobber zahlen? Der Staat kann seine Einnahmen maximieren, indem er nicht mit einem Einheitstarif arbeitet. Entscheidend ist, dass am Ende keine übrig bleiben. Das könnte dann so aussehen:

  1. Arbeitslose mit Abitur oder abgeschlossener Berufsausbildung kosten 3€/h.

  2. Arbeitslose mit Haupt- oder Realschulabschluss kosten 2€/h.

  3. Alle, die man anders nicht loswird, kosten den berühmt-berüchtigten einen Euro pro Stunde.

Eine weitere Optimierung der Einnahmen (an denen die Arbeitslosen beteiligt werden sollten) lässt sich über die Überlassungsdauer erreichen. Für den normalen Tarif bekommt der Arbeitgeber einen Monat (oder auch drei Monate) lang irgend jemanden aus der jeweiligen Kategorie. Dass die dafür abgestellten Arbeitslosen ab und an wechseln, ergibt sich schon daraus, dass die BA natürlich trotzdem versuchen würde über Weiterbildungsmaßnahmen die Arbeitslosen in reguläre Beschäftigungsverhältnisse zu bekommen.

Da ein bereits eingeearbeiteter Mitarbeiter produktiver ist, dürften viele Unternehmen ein Interesse daran haben, ihren 1-EUR-Jobber zu behalten. Das könnten sie, indem sie einen Lohnaufschlag zahlen.

Nebenziele, positive Nebeneffekte, weitere Betroffene

Schwellenwertanreiz zur Einstellung regulärer Mitarbeiter

Bei kleinen Betrieben mag es sich lohnen, einen zusätzlichen regulären Mitarbeiter einzustellen, weil man dadurch einen (weiteren) Niedriglohn-Arbeitslosen einstellen darf.

Derselbe Effekt mag (auf der anderen Seite des Schwellenwertes) die Entlassung eines regulären Mitarbeiters verhindern.

produktive Verwaltungsausgaben

Heute hat die Mehrheit der Verwaltungsvorgänge in den Jobcentern keinen produktiven Wert. Man prüft, ob der Arbeitslose seinen Verpflichtungen nachkommt. Das hat allenfalls den passiven Nutzen für den Staat, dass er durch Sanktionen einen Teil der Ausgaben spart.

In diesem Modell führen die meisten, zumindest sehr viele, Verwaltungsvorgänge dazu, dass ein Arbeitsloser irgendwo als Niedriglohn-Arbeitsloser arbeitet. Das macht die Verwaltung zwar nicht zwangsläufig billiger (das mag durch den Wegfall von Kontrollen passieren, die bei arbeitenden Leistungsempfängern sinnlos sind), sieht aber in den Augen der Bürger und Wähler weniger nach Geldverschwendung aus.

Nachfragewirkung

Wenn plötzlich vier Millionen zusätzliche Menschen irgendwie ins Arbeitsleben integriert werden, hat das Folgeeffekte. Das fängt damit an, dass man zusätzliche Uniformen braucht, und hört irgendwo da auf, dass mehr Personal für die Lohnbuchhaltung benötigt wird.

soziale Verbesserungen

Die meisten Erwachsenen wieder einer (wenn auch nicht vollwertigen) Erwerbsarbeit zuzuführen, dürfte weit mehr gegen die soziale Verwahrlosung einiger Gegenden tun als eine reine Erhöhung der Transferleistungen.

kein Interessenkonflikt des Staates mehr

Wenn die Wirtschaft abgesehen von der unternehmensbezogenen Quotierung unbeschränkt auf 1-EUR-Jobber zugreifen kann, dann stehen kaum noch welche für den Einsatz in Kommunen zur Verfügung, wodurch der Staat nicht mehr einem Interessenkonflikt ausgesetzt ist: Er hat dann nur noch das Bestreben, für seine 1-EUR-Jobber möglichst hohe Arbeitgeberlöhne zu bekommen (um die eigenen Transferleistungen zu reduzieren).

Man könnte allerdings den Kommunen erlauben, genauso wie jedes Unternehmen entsprechend ihrer Mitarbeiteranzahl 1-EUR-Jobber einzustellen. Allerdings müssten sie die bei der BA bezahlen, anstatt – wie heute – noch einen Zuschuss zu bekommen.

Schwarzarbeit

Es erscheint denkbar, dass Betriebe auf diesem Weg vorhandene Schwarzarbeiter "legalisieren". Vor allem wird aber die Schwarzarbeit abnehmen, weil dafür gar keine Zeit mehr ist – die Leute sind ja beschäftigt (oder riskieren Sanktionen).

Stopp der Lohnabwärtsspirale

In dem Moment, in dem man alle Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt drückt, macht man sie zu einer knappen Ressource, das heißt, es setzt ein Wettbewerb um Niedriglohnkräfte ein, den es nicht gibt, solange noch genügend unbeschäftigte Arbeitslose zur Verfügung stehen. Dieser Wettbewerb beendet dann die Tendenz zu immer niedrigeren Löhnen.

Qualität der Arbeitsvermittlung und Weiterbildung

Dadurch, dass quasi alle Arbeitslose "versorgt" wären, könnte die BA ihre Vermittlungsbemühungen auf die aussichtsreichsten Fälle konzentrieren (die durch die Erfahrungen durch die Dauertätigkeiten leichter herauszufiltern wären), so dass die Vermittlungsquote besser würde.

Man sollte dafür sorgen, dass die Niedriglohn-Arbeitslosen (auf Abruf durch das Jobcenter) genug Zeit (vielleicht zwei freie Tage pro Monat) haben, um Vorstellungsgespräche für reguläre Arbeitsplätze wahrzunehmen.

Interesse der Arbeitgeber an der Vermittlung regulärer Mitarbeiter

Unternehmer, die sich mit offenen Stellen an die BA wenden, sähen sich nicht mehr dem Risiko ausgesetzt, dass bei ihnen "Bewerber" auftauchen, die nur pro forma erscheinen, um keine Leistungskürzung zu riskieren, aber den Job gar nicht wollen. Für jeden 1-EUR-Jobber wäre eine reguläre Arbeit eine Verbesserung. Außerdem könnte die BA sich stärker als heute auf die aussichtsreichen Kandidaten konzentrieren.

Dadurch ist denkbar, dass der BA mehr offene Stellen als bisher gemeldet werden.

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eher gut eher schlecht

Das ist natürlich erfreulich... Nehmen Sie das doch zum Anlass, sich anzusehen, zu welchen anderen Themen ich Vorschläge veröffentlicht habe. Auch wenn Sie diesen Text positiv bewerten, gibt es sicher Details, die Sie anders sehen. Ich freue mich, wenn Sie mir Ihre Anmerkungen per E-Mail mitteilen.

Und wenn Sie Unternehmer oder in geeigneter Position in einem Unternehmen tätig sind, das an Innovationen interessiert ist, dann sind vielleicht meine kommerziellen (nicht veröffentlichten) Konzepte für Sie von Interesse. Ich freue mich in dem Fall über Ihre Kontaktaufnahme.

Ihre Einschätzung ist für mich natürlich bedauerlich. Aber auch wenn ich wahrscheinlich nicht zu Ihrer Ansicht wechseln werde, möchte ich Sie doch ermuntern, mit per E-Mail mitzuteilen, was Sie problematisch finden (und ggf. warum).

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1.3 (02.08.2009)

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