Vorschlag für eine arbeitsmarktpolitische Maßnahme

Hauke Laging, Peter-Vischer-Straße 29, 12157 Berlin, Tel.: 030/32603660, mobil: 0172/7630883, E-Mail: hauke@laging.de, WWW: http://www.hauke-laging.de/

Verdrängungseffekte von 1-EUR-Jobs durch Quotierung neutralisieren

Version 1.3/3.3, 02.08.2009

Inhalt

Ausgangslage – das ProblemÜbersicht

Die 1-EUR-Jobs stehen in der Kritik, weil sie das Risiko von Verdrängungseffekten beinhalten. Wenn ein Unternehmer 1-EUR-Jobber einstellen kann, stellt er statt dessen keine regulären Mitarbeiter ein – oder entlässt sogar welche. Der Bundesrechnungshof beanstandet, dass nur etwa 25% der 1-EUR-Jobber nachweislich solche Tätigkeiten ausführen, für die sie gedacht sind. Bei weiteren 25% ist das erwiesenermaßen nicht der Fall. Bei den restlichen 50% war eine Bewertung auf Grund der bei der BA verfügbaren Daten gar nicht möglich.

Die 1-EUR-Jobber werden also schon bewusst als reguläre Arbeitskräfte eingesetzt. Dass sie dies aber nur im Umfeld kommunaler Dienstleistungen tun, muss volkswirtschaftlich nicht die effizienteste Lösung sein.

Dieses Problem besteht natürlich nicht nur innerhalb eines Unternehmens. Wenn ein Unternehmen – rechtswidrig – viele 1-EUR-Jobber beschäftigt, dann verringert es seine Kosten und erlangt auf diese Weise einen Vorteil gegenüber Wettbewerbern mit wenigen oder gar keinen 1-EUR-Jobbern.

Problembewusstsein

Jeder weiß es, keiner tut was.

Ein vermutlich nicht unerheblicher Teil des Problems ist der Interessenkonflikt des Staates. Weil 1-EUR-Jobber vor allem von den Kommunen eingesetzt werden (denen sie nicht nur Kosten sparen, sondern über die Verwaltungspauschale, die die BA ihnen zahlt, echtes Geld einbringt), hätte der Staat selber darunter zu leiden, wenn er gegen den Missbrauch von 1-EUR-Jobbern vorginge.

Ziel

Gemäß der Erkenntnis, dass nur verteilt werden kann, was auch erwirtschaftet wird, halte ich es für erstrebenswert, alle Arbeitslosen arbeiten zu lassen, so produktiv es eben geht. Das zementiert zwar eine Zwei-Klassen-Geselslchaft der Arbeitnehmer, aber das ist objektiv für alle Beteiligten besser, als die Arbeitslosen arbeitslos zu lassen und sich irgendwelchen Märchenvisionen von Vollbeschäftigung hinzugeben. Der durch diese Maßnahme zusätzlich erwirtschaftete Wohlstand kann dann den 1-EUR-Jobbern zugute kommen (etwa in Form einer Anhebung des Regelsatzes; wenn man auf diese Weise alle in den Arbeitsmarkt bekommt, besteht kein Motivationsproblem).

Die spannende Frage ist nun, wie man aus 1-EUR-Jobbern mehr oder weniger reguläre Arbeitskräfte machen kann, ohne den Arbeitsmarkt dadurch kaputt zu machen.

LösungÜbersicht

Wenn man Firmen gestattet, bis zu einer prozentualen Höchstgrenze 1-EUR-Jobber einzustellen, und das mit folgenden Verpflichtungen versieht, scheint die Missbrauchsmöglichkeit gebannt:

  1. die politisch ideale Variante:

    1. Für jede reguläre Neueinstellung dürfen x 1-EUR-Jobber eingestellt werden.

    2. Solange 1-EUR-Jobber in dem Betrieb tätig sind, dürfen keine betriebsbedingten Kündigungen ausgesprochen werden. Ausscheidende reguläre Kräfte müssen durch solche ersetzt werden.

    3. Um "präventiven" Entlassungen vorzubeugen, wird die "Grenze", ab der 1-EUR-Jobber eingestellt werden dürfen, auf das Beschäftigungsmaximum der z.B. letzten zwei Jahre oder einen Stichtag (Beginn der öffentlichen Diskussion) festgelegt. Das schafft nicht unbedingt Einzelfallgerechtigkeit, wirkt aber Bescheißerei entgegen.

  2. die volkswirtschaftlich ideale Variante:

    1. Es wird der Anteil an 1-EUR-Jobbern festgelegt, den jeder Betrieb haben darf (also die Quote, wie viele Nichtbezuschusste ).

      Der Vorteil daran ist, dass keine Wettbewerbsverzerrungen auftreten, von Kleinbetrieben abgesehen. Man würde die Anzahl der Arbeitslosen, die man dafür zur Verfügung stellen will (also wohl alle außer denen, die man gerade weiterbildet), auf die Gesamtzahl der (regulären) Arbeitnehmer

Bedarf

Haben überhaupt genügend Unternehmen Bedarf an Mitarbeitern ohne passende Ausbildung? Für eine hinreichend kleine Quote ist das anzunehmen. Die meisten Arbeitnehmer führen nicht nur Arbeiten aus, die ihrer Qualifikation entsprechen. Einfaches Beispiel: Bevor ein Handwerker etwas bauen kann, muss er sich das Material beschaffen. Das kann in den meisten Fällen aber wirklich jeder. Wenn ihm diese Arbeit abgenommen wird, kann er sich auf höherwertige Arbeiten beschränken – seine Produktivität steigt.

Preisfestlegung

Was müssen die Unternehmer für die 1-EUR-Jobber zahlen? Der Staat kann seine Einnahmen maximieren, indem er nicht mit einem Einheitstarif arbeitet. Entscheidend ist, dass am Ende keine übrig bleiben. Das könnte dann so aussehen:

  1. Arbeitslose mit Abitur oder abgeschlossener Berufsausbildung kosten 3€/h.

  2. Arbeitslose mit Haupt- oder Realschulabschluss kosten 2€/h.

  3. Alle, die man anders nicht loswird, kosten den berühmt-berüchtigten einen Euro pro Stunde.

Eine weitere Optimierung der Einnahmen (an denen die Arbeitslosen beteiligt werden sollten) lässt sich über die Überlassungsdauer erreichen. Für den normalen Tarif bekommt der Arbeitgeber einen Monat (oder auch drei Monate) lang irgend jemanden aus der jeweiligen Kategorie. Dass die dafür abgestellten Arbeitslosen ab und an wechseln, ergibt sich schon daraus, dass die BA natürlich trotzdem versuchen würde über Weiterbildungsmaßnahmen die Arbeitslosen in reguläre Beschäftigungsverhältnisse zu bekommen.

Da ein bereits eingeearbeiteter Mitarbeiter produktiver ist, dürften viele Unternehmen ein Interesse daran haben, ihren 1-EUR-Jobber zu behalten. Das könnten sie, indem sie einen Lohnaufschlag zahlen.

Nebenziele, positive Nebeneffekte, weitere Betroffene

Nachfragewirkung

Wenn plötzlich vier Millionen zusätzliche Menschen irgendwie ins Arbeitsleben integriert werden, hat das Folgeeffekte. Das fängt damit an, dass man zusätzliche Uniformen braucht, und hört irgendwo da auf, dass mehr Personal für die Lohnbuchhaltung benötigt wird.

soziale Verbesserungen

Die meisten Erwachsenen wieder einer (wenn auch nicht vollwertigen) Erwerbsarbeit zuzuführen, dürfte weit mehr gegen die soziale Verwahrlosung einiger Gegenden tun als eine reine Erhöhung der Transferleistungen.

keine Lohndumpingbranchen mehr

Wenn man die Quotierung auf alle Arbeitsverhältnisse ausdehnt, die vom Staat bezuschusst werden (also vor allem die "Aufstocker"), dann ist man sogar ohne Einführung eines Mindestlohns diejenigen Unternehmen los, deren Geschäftsmodell auf prekären Arbeitsverhältnissen beruht. Der effektive Mindestlohn (für die Mehrheit der Beschäftigten) wäre dann der Aufstocker-Satz.

Eine reizvolle Variation wäre, keine starre Quote vorzugeben, sondern den Anteil zulässiger 1-EUR-Jobber vom Lohnniveau des Unternehmens abhängig zu machen. Wer nur den Aufstocker-Satz zahlt, dürfte dann gar keine 1-EUR-Jobber beschäftigen, Unternehmen mit hoch bezahlten Angestellten (die sowieso keinem Verdrängungsrisiko ausgesetzt sind) viele.

kein Interessenkonflikt des Staates mehr

Wenn die Wirtschaft abgesehen von der unternehmensbezogenen Quotierung unbeschränkt auf 1-EUR-Jobber zugreifen kann, dann stehen kaum noch welche für den Einsatz in Kommunen zur Verfügung, wodurch der Staat nicht mehr einem Interessenkonflikt ausgesetzt ist: Er hat dann nur noch das Bestreben, für seine 1-EUR-Jobber möglichst hohe Arbeitgeberlöhne zu bekommen (um die eigenen Transferleistungen zu reduzieren).

Man könnte allerdings den Kommunen erlauben, genauso wie jedes Unternehmen entsprechend ihrer Mitarbeiteranzahl 1-EUR-Jobber einzustellen. Allerdings müssten sie die bei der BA bezahlen, anstatt – wie heute – noch einen Zuschuss zu bekommen.

Schwarzarbeit

Es erscheint denkbar, dass Betriebe auf diesem Weg vorhandene Schwarzarbeiter "legalisieren". Vor allem wird aber die Schwarzarbeit abnehmen, weil dafür gar keine Zeit mehr ist – die Leute sind ja beschäftigt.

Mindestlohn

Wenn man auf diese Weise die "berufliche Untätigkeit" in Deutschland quasi abschafft, kann man mit weniger schlechtem Gewissen einen Mindestlohn einführen. Durch die Kombination von Mindestlohn und der produktiven Beschäftigung aller Arbeitslosen sichert man den meisten Arbeitnehmern einen passablen Lebensstandard und verhindert gleichzeitig, dass ein Anstieg der Arbeitslosigkeit zum Problem wird. Man verhindert zwar (möglicherweise) nicht den Anstieg, aber die negativen Effekte auf die Sozialsysteme.

Stopp der Lohnabwärtsspirale

In dem Moment, in dem man alle Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt drückt, macht man sie zu einer knappen Ressource, das heißt, es setzt ein Wettbewerb um Niedriglohnkräfte ein, den es nicht gibt, solange noch genügend unbeschäftigte Arbeitslose zur Verfügung stehen. Dieser Wettbewerb beendet dann die Tendenz zu immer niedrigeren Löhnen.

Qualität der Arbeitsvermittlung und Weiterbildung

Dadurch, dass quasi alle Arbeitslose "versorgt" wären, könnte die BA ihre Vermittlungsbemühungen auf die aussichtsreichsten Fälle konzentrieren (die durch die Erfahrungen durch die Dauertätigkeiten leichter herauszufiltern wären), so dass die Vermittlungsquote besser würde.

Interesse der Arbeitgeber an der Vermittlung regulärer Mitarbeiter

Unternehmer, die sich mit offenen Stellen an die BA wenden, sähen sich nicht mehr dem Risiko ausgesetzt, dass bei ihnen "Bewerber" auftauchen, die nur pro forma erscheinen, um keine Leistungskürzung zu riskieren, aber den Job gar nicht wollen. Für jeden 1-EUR-Jobber wäre eine reguläre Arbeit eine Verbesserung. Außerdem könnte die BA sich stärker als heute auf die aussichtsreichen Kandidaten konzentrieren.

Dadurch ist denkbar, dass der BA mehr offene Stellen als bisher gemeldet werden.

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eher gut eher schlecht

Das ist natürlich erfreulich... Nehmen Sie das doch zum Anlass, sich anzusehen, zu welchen anderen Themen ich Vorschläge veröffentlicht habe. Auch wenn Sie diesen Text positiv bewerten, gibt es sicher Details, die Sie anders sehen. Ich freue mich, wenn Sie mir Ihre Anmerkungen per E-Mail mitteilen.

Und wenn Sie Unternehmer oder in geeigneter Position in einem Unternehmen tätig sind, das an Innovationen interessiert ist, dann sind vielleicht meine kommerziellen (nicht veröffentlichten) Konzepte für Sie von Interesse. Ich freue mich in dem Fall über Ihre Kontaktaufnahme.

Ihre Einschätzung ist für mich natürlich bedauerlich. Aber auch wenn ich wahrscheinlich nicht zu Ihrer Ansicht wechseln werde, möchte ich Sie doch ermuntern, mit per E-Mail mitzuteilen, was Sie problematisch finden (und ggf. warum).

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1.3 (02.08.2009)