Vorschlag für eine rechtliche Regelung (Verbraucherschutz)
Version 1.1/2.5+, 05.11.2008
Problembewusstsein
Nebenziele, positive Nebeneffekte, weitere Betroffene
Anforderungen, Realisierung, Vorteile der Maßnahme, Nachteile der Maßnahme
Die Verluste bei uninformierten Kleinanlegern durch Krisen an den Finanzmärkten sollen dadurch begrenzt werden, dass Wertpapierverkäufe nur noch dann erlaubt werden, wenn der Kunde erwiesenermaßen verstanden hat, welche Risiken seine Investition birgt.
Wie die aktuelle Finanzmarktkrise auf tragische Weise gezeigt hat, sind viele Kunden, die auf die Beratung ihrer Bank hin ihr Geld anlegen, nicht gut informiert (d.h., wissen nicht, haben nicht verstanden, worauf sie sich einstellen müssen). Ob es eine systematische Erfassung dazu gibt, welcher Teil der Geldanleger aus einem vertretbaren Wissensstand heraus entscheidet, ist dem Verfasser nicht bekannt. Die mediale Behandlung des Themas mag (gemessen an der Zahl der Betroffenen) überzogen gewesen sein, aber der (formal immense) Aufwand, den die Bundesregierung getrieben hat, um Anleger von Panikreaktionen abzuhalten, und dessen öffentliche Wahrnehmung sprechen für eine volkswirtschaftlich relevante Dimension des Problems (zumal dieses Problem letztlich alle uninformierten Anleger betrifft und nicht nur die konkret gefährdeten).
Selbst wenn man diese volkswirtschaftliche Relevanz nicht zur Vorbedingung für entsprechende gesetzliche Regulierungen machen will, muss man berücksichtigen, dass dies für den Verbraucherschutz insgesamt nicht gilt. Der Verbraucher, mit Abstrichen auch der vermögende, soll vor vermeidbaren unbilligen Ärgernissen geschützt werden.
Es sprechen also gleich zwei Aspekte für das Ergreifen geeigneter Maßnahmen: der Schutz der Finanzwirtschaft (ohne gigantische Staatsbürgschaften) und der Schutz der Verbraucher.
Das zu lösende Problem ist überwiegend psychologischer Natur. Kein rational handelnder Mensch würde ohne Zeitnot (für ihn) viel Kapital in eine Anlage investieren, die er nicht verstanden hat, jedenfalls nicht in bezug auf ihre Verlustrisiken. Offensichtlich ist die Verkaufspsychologie dieser Grundregel überlegen. Über die Gründe mag man mutmaßen (vielleicht erwarten die meisten Anleger von vorneherein nicht, dass die verstehen werden, was mit ihrem Geld passiert) – am Ergebnis und der Notwendigkeit des Eingreifens ändert das nichts.
Besonders tragisch an der Situation ist, dass es alle wussten. Die Verkäuferseite profitiert immerhin wirtschaftlich davon.
Das Ziel kann nicht sein, Privatleuten riskante Anlagen (komplett) zu untersagen. Das Hauptziel muss sein zu verhindern, dass die Leute quasi ahnungslos ihr Geld anlegen. Die Beratungspflichten auszubauen, schafft dabei nur einen Haufen Bürokratie, ohne das Problem an der Wurzel zu packen. Nicht die Beratung ist das alleinige Problem, sondern die Information, die beim Kunden ankommt. Die ist bei einem versierten Kunden vermutlich auch bei eher schlechter Beratung ausreichend, am anderen Ende der Skala mag auch ein intensives Gespräch den geforderten Zustand des Kunden nicht erreichen. Man muss deshalb konsequenterweise beim Kunden ansetzen, nicht beim Berater. Das ist viel weniger Aufwand und liefert verlässliche Ergebnisse.
Ein wahrscheinlicher Effekt ist, dass der Kunde nicht mehr mit (vielleicht auch nur in ihrer Menge) verwirrenden Informationen zugeworfen wird, weil der Berater nicht darum herumkommt, dem Kunden bestimmte Eckdaten klar zu machen.
Die Kunden werden, da sie wissen, dass sie anschließend abgefragt werden, vermutlich deutlich besser auspassen und vor allem dann auch nachhaken, wenn sie etwas nicht verstehen. Die ganze Atmosphäre eines Beratungsgesprächs kann sich dadurch ändern.
geringer Aufwand für die Einführung
geringer Aufwand für die jeweilige Durchführung
gute Dokumentierbarkeit
gute Anpassbarkeit an geänderte (gesetzliche) Vorgaben
Der Gesetzgeber sollte die Verkäufer von Wertpapieren verpflichten, den Kunden nach der Beratung eine Reihe fundamentaler Fragen zu der Anlage, die er ausgewählt hat, beantworten zu lassen. Dies sollte elektronisch geschehen, damit die Ergebnisse nicht nur dokumentiert, sondern auch leicht erfasst werden können (damit solche Banken (durch die Finanzaufsicht) und Berater (durch ihren Arbeitgeber), bei denen viele dieser Tests scheitern, ermittelt werden). Das Wertpapier darf dem Kunden nur verkauft werden, wenn dieser alle (als kritisch eingestuften) Fragen korrekt beantwortet.
Der Kunde sollte diese Fragen beantworten müssen, ohne dass er dabei beeinflusst wird, also sinnigerweise in einem Raum (oder geeignet abgetrennten Bereich), in dem er alleine ist. Die Fragen könnten für alle Kunden einheitlich oder an die Art des Produkts angepasst sein, das sollten erfahrene Verbraucherschützer entscheiden.
Mögliche Fragen für diesen Katalog sind:
Welcher Verlust ist bei diesem Produkt schlimmstenfalls möglich?
Totalverlust
keine Verzinsung in einem oder in mehreren Jahren (Sie erhalten mindestens die eingezahlte Summe zurück)
Verlust bis auf den Garantiebetrag (X EUR) aus dem deutschen Einlagensicherungsfonds
Verlust bis auf den Garantiebetrag (X EUR) aus dem ausländischen Einlagensicherungsfonds
Investieren Sie in ein oder mehrere realwirtschaftliche Unternehmen oder in ein reines Finanzprodukt?
Welche Bank ist der Ausgeber des Wertpapiers (d.h. haftet für die Rückzahlung)?
die verkaufende Bank (zu der Ihr Berater gehört)
eine andere inländische Bank
eine andere ausländische Bank
Drohen Ihnen Verluste und Zinsausfälle auch durch das Marktgeschehen (z.B. Aktienkurse, Wechselkurse) oder nur durch die Insolvenz der ausgebenden Bank?
Ist die Bank, die Ihnen das Wertpapier verkaufen will, von möglichen Wertverlusten der Anlage betroffen?
Nach der elektronischen Erfassung sollten die Fragen und die Antworten ausgedruckt werden, so dass der Kunde dies unterschreiben kann.
Der wesentliche Nutzen der Maßnahme ist, dass sie ganz konkret das Kernproblem angreift und es wirksam beseitigt. Diese Maßnahme wäre nicht nur eine politische Luftnummer, um den Wähler zu beruhigen. Ein Versagen dieser Maßnahme ist kaum vorstellbar.
Das zweite Problem, dass Anleger in Panik geraten, wird dadurch, dass die Anleger vergleichsweise gut informiert sind, nicht zwingend verhindert, sondern nur abgeschwächt. Verlässlich informierten Anlegern kann aber die im Abschnitt Erweiterungen angesprochene Auszahlungssperre viel eher zugemutet werden, die dieses zweite Problem weitgehend löst.
Diese Vorgehensweise bringt einen gewissen zeitlichen und organisatorischen Aufwand mit sich, allerdings ist beides gemessen am sowieso erbrachten Beratungsaufwand überschaubar. Als mittelbarer Effekt ist vorstellbar, dass die Beratungsgespräche an sich aufwendiger (länger) werden. Das ist aber kein Grund zur Klage, wenn man den Standpunkt einnimmt, dass die bisherigen Beratungen ihr Ziel oft verfehlt haben. Dass eine Änderung der problematischen Situation nicht unbedingt umsonst zu haben ist, sollte jedem klar sein.
Ihr Vorschlag ist raffiniert und scheint in der Sache zielführend.
Problematisch sei, dass die Regelungskompetenz dafür bei der EU liege, die in den nächsten Jahren auf dem Gebiet nicht viel ändern wolle, um erst mal die Auswirkungen der letzten Änderungen (FSAP/MiFID) begutachten zu können.
Sie haben meinen Vorschlag aus diesem Grund an eine Kollegin im Europäischen Parlament weitergeleitet.
Es ist eine Überlegung wert, ob man eine Art Sperrbetrag einrichtet, bis zu dem Banken einem Kunden nur sichere Anlagen verkaufen dürfen. Dieser Betrag würde dann natürlich pro Kunde und nicht pro Bank gelten, so dass ein Kunde, der bei mehreren Banken Wertpapiere kauft, bei den anderen auch ausschließlich in riskante Papiere investieren dürfte. Dafür wäre keine zentrale Erfassung nötig, eine Bescheinigung der anderen Bank wäre ausreichend, oder sogar die Unterschrift des Kunden, dass er anderswo eine solche sichere Anlage hat – wenn jemand sein Geld verbrennen will, wird er das ohnehin schaffen.
Um den Zusammenbruch einer Bank auf Grund von Liquiditätsproblemen zu verhindern, die durch Kunden verursacht werden, die massenhaft Geld abheben, um Verluste durch einen Zusammenbruch der Bank zu vermeiden, könnte die Finanzaufsicht ermächtigt werden, die Auszahlungspflicht (oder sogar das Auszahlungsrecht) der betroffenen Bank(en) in solchen Phasen zu reduzieren, etwa auf 10% der Einlagen pro Monat. Der konkrete Wert sollte so hoch gewählt werden, dass er die Bank nicht gefährdet, und könnte außerdem dynamischer Natur sein: Die Kunden könnten Auszahlungswünsche anmelden, und wenn diese Wünsche die Gesamtmenge für den Folgemonat nicht erreichen, könnte die Bank die vorhandenen Auszahlungswünsche zu einem größeren Teil (oder sogar vollständig bedienen. Panikreaktionen klingen nach relativ kurzer Zeit ab, die halten sich nicht über Monate.
In der akuten Finanzkrise ist eine britische Bank wegen dieses Effekts insolvent geworden, ebenso vor einigen Jahren eine deutsche Bank, über die ein Nachrichtenmagazin Gerüchte verbreitet hatte, die Bank habe finanzielle Probleme.
Schreiben Sie mir, was Sie von den oben ausgeführten Überlegungen halten!
Wenn Sie Ihre Meinung über dieses Konzept (im Sinne einer Bewertung des Verfassers, der "Qualität" des Grundgedankens) maximal vereinfachend zusammenfassen, finden Sie es dann eher gut oder eher schlecht (unabhängig davon, ob sie glauben, dass die Details korrekt sind und es so insgesamt funktioniert)?
Das ist natürlich erfreulich... Nehmen Sie das doch zum Anlass, sich anzusehen, zu welchen anderen Themen ich Vorschläge veröffentlicht habe. Auch wenn Sie diesen Text positiv bewerten, gibt es sicher Details, die Sie anders sehen. Ich freue mich, wenn Sie mir Ihre Bedenken per E-Mail mitteilen.
Und wenn Sie Unternehmer oder in geeigneter Position in einem Unternehmen tätig sind, das an Innovationen interessiert ist, dann sind vielleicht meine nicht veröffentlichten Konzepte für Sie von Interesse. Ich freue mich in dem Fall über Ihre Kontaktaufnahme.
Ihre Einschätzung ist für mich natürlich bedauerlich. Aber auch wenn ich wahrscheinlich nicht zu Ihrer Ansicht wechseln werde, möchte ich Sie doch ermuntern, mit per E-Mail mitzuteilen, was Sie problematisch finden (und ggf. warum).
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