Vorschlag für eine Änderung der Rechtslage
Version 1.0/4.1, 29.04.2010
Problembewusstsein
Nebenziele, positive Nebeneffekte, weitere Betroffene
mögliche Probleme
Gewahrsam auf Basis polizeirechtlicher Gefahrenprävention wegen Terrorismusverdacht sollte nur auf Antrag der Bundesanwaltschaft vom BGH über wenige Stunden hinaus verlängert werden dürfen.
Anlass für die Erarbeitung dieses Vorschlags war dieser Bericht im Magazin der Süddeutschen Zeitung.
Die Münchner Polizei (und Justiz) blamiert sich nicht nur durch die hanebüchene Festnahme eines Ausländers, für den im Vorfeld des Oktoberfests ein Terrorismusverdacht konstruiert wird, der jedes juristische Staatsexamen vorzeitig beenden würde, sondern auch durch die Uneinsichtigkeit im nachhinein: gelungene Aktion, denn es sei ja nichts passiert. Natürlich passiert nichts, wenn die ganze Zeit über nichts da war, das man bei halbwegs intelligenter Betrachtung als Terrorismusverdacht einstufen könnte.
Dort sind in derart skandalöser Weise die Grenzen des Rechtsstaats überschritten und die Verantwortungslosigkeit der Entscheidungsträger offengelegt worden, dass der Gesetzgeber handeln muss, um so etwas für die Zukunft zu verhindern. Das dient nicht nur dem Schutz klischeebelasteter Minderheiten, sondern auch dem Vertrauen der Mehrheitsgesellschaft in die politische Kontrolle und Korrektur der Polizei.
Die Ursache für den Vorfall ist zweigeteilt:
Die normale Polizei und Justiz sind schlicht und ergreifend nicht kompetent im Umgang mit Terrorismus. Das ist beiden nicht vorzuwerfen, denn zum Glück gibt es derart wenig terroristische Aktivität in Deutschland, dass nur wenig Erfahrung damit gesammelt werden kann. Aber man muss die Konsequenz daraus ziehen, dass man derart schwerwiegende Entscheidungen nicht mehr in überforderte Hände legt.
Die Widerstandsfähigkeit gegenüber politischem Druck ist ungleich verteilt. Die Münchner Polizei mag sich denken, dass im Zweifelsfall egal ist, was Deutschland hinterher von ihr hält. Wann wird es den nächsten vergleichbaren Fall geben? Das dauert.
Das praktische politische Problem ist, dass die Notwendigkeit einer Anpassung der Rechtslage dort, wo sie am ausgeprägtesten erscheint, am wenigsten eingesehen werden dürfte. Realistischerweise werden wohl die vergleichsweise unkritischen Bundesländer mit gutem Beispiel vorangehen müssen.
Das Ziel einer Rechtsänderung sollte sein, mit der Bewertung dieser seltenen, aber schwerwiegenden Fälle nur solche Instanzen zu betrauen, denen man eine hohe Urteilsfähigkeit zugesteht, die häufig mit solchen Fällen zu tun haben und für die ihr Ruf wichtiger ist als für die Münchner Polizei.
Durch die Verlagerung der Entscheidungskompetenz mag sich die Ermittlungssituation sogar verbessern. Wenn man sowieso das OK einer nachgeordneten Instanz braucht, die sich besser damit auskennt, dann fragt man sie eher schon vorher mal.
Auch die bei der Ausstellung von Durchsuchungsbeschlüssen bekanntermaßen wenig an der Rechtslage orientierten Amtsgerichte werden vielleicht in diesen Fällen zurückhaltender, wenn sie wissen, dass ihr Beschluss nicht "nur" vom Landgericht, sondern mit der entsprechend größeren Öffentlichkeit und juristischen Autorität vom BGH aufgehoben wird.
Die polizeilichen Befugnisse, auch die mit Richtervorbehalt, sollten im Fall von Terrorismusverdacht zeitlich drastisch beschränkt werden. Die Polizei sollte im Rahmen der terroristischen Gefahrenprävention Verdächtige nur kurz, vielleicht zwölf bis achtzehn Stunden (je nach Uhrzeit der Festnahme) festhalten dürfen. Eine Verlängerung des Gewahrsams wäre dann nur zulässig, wenn sie vom Generalbundesanwalt beim BGH beantragt und dort bestätigt wird. Das würde in der Praxis bedeuten, dass die Bundesanwälte sich eine Bewertung vom jeweiligen LKA und dem BKA holen. Außerdem haben sie selber vergleichsweise viel Erfahrung mit Terrorismus und sollten die juristische Bewertung auf höherem Niveau als ein Amtsgericht vornehmen können.
Das wäre zudem kein Bruch mit der bisherigen Rechtslage, weil die Bundesanwaltschaft Ermittlungen bei Terrorismusverdacht sowieso an sich ziehen kann (und das regelmäßig tut). Wenn aber Ermittlungen bei der Bundesanwaltschaft am besten aufgehoben sind, warum sollte das nicht für die Prüfung eines Anfangsverdachts gelten?
Kein grundsätzliches Hindernis, aber vermutlich eine Hürde bei der rechtlichen Umsetzung mag darin liegen, dass von diesem Vorschlag sowohl Landesrecht als auch Institutionen des Bundes betroffen sind, so dass möglicherweise auch Bundesrecht geändert werden muss.
Nun wird sich eine CDU-geführte Bundesregierung kaum dagegen wehren können, dass einzelne Länder bei der Terrorismusabwehr auf die Expertise des BKA, der Bundesanwaltschaft und des BGH zurückgreifen wollen.
Einer problemlosen Umsetzung im Bundestag steht möglicherweise Druck aus den Ländern entgegen, die sich nicht durch eine derartige Vorlage dem Druck aussetzen wollen, ebenfalls ihr Landesrecht anzupassen. Das böte aber viel politische Angriffsfläche, speziell gegen die FDP, sollte sie sich dagegen aussprechen.