Vorschlag für eine politische Aktion
Version 1.0/4.1, 30.11.2010
Problembewusstsein
Nebenziele, positive Nebeneffekte, weitere Betroffene
Motivation | Wo kann man so etwas machen? | Finanzierung | Schulung | Ablauf
Der Verfasser ist Mitglied des Kreisvorstands in Berlin Steglitz-Zehlendorf und betreibt dort den mit etwa 400.000 jährlichen Kontakten sicherlich wichtigsten und vermutlich auch einzigen ganzjährig wöchentlichen Infostand in Deutschland sowie die Wahlkampfgruppe im Wurzelwerk.
Durch wechselseitige Unterstützung der Landesverbände im Wahlkampf soll die Anzahl der verfügbaren Straßenwahlkämpfer erheblich erhöht werden.
Selbst in den Gebieten mit hoher Mitgliederdichte, etwa dem Südwesten und Zentrum Berlins, sind Straßenwahlkämpfer im allgemeinen eine knappe Ressource. Wie viele Straßenwahlkämpfer braucht man? Wenn man von einer fünf Wochenenden umfassenden heißen Wahlkampfphase, sechs Stunden Standpräsenz am Samstag und 1.000 Passanten pro Stunde (was nur an wenigen Orten übertroffen wird) ausgeht, dann schafft man pro Stand 30.000 Kontakte (was wegen der Mehrfachkontakte weniger als 30.000 Bürger sind). Um wenigstens rechnerisch jeden Bürger im Wahlkampf einmal an einem Infostand zu treffen, braucht man also pro 100.000 Einwohner mehr als drei Stände. Bei drei Leuten pro Stand und zwei Schichten heißt das zum Beispiel für Hamburg, dass etwa 100 Helfer benötigt werden, die an jedem Termin dabei sind. Und dabei sind andere Wahlkampfaktivitäten noch nicht einmal berücksichtigt.
Wenn man das Pech hat, dass der Wahlkampf in einer Jahreszeit liegt, in der der durchschnittliche Standhelfer temperaturbedingt keine drei Stunden durchhält, verdoppelt sich dieser Bedarf.
Dass man gerne viel mehr Wahlkämpfer hätte, ist vermutlich die typische Situation. Gute Vorschläge zur Verbesserung sind dagegen rar.
Das Ziel dieses Konzeptes ist, die Menge der verfügbaren Straßenwahlkämpfer dadurch drastisch zu erhöhen, dass man sich Unterstützung von außerhalb holt. Das ist fallweise unterschiedlich gut möglich. Die wesentlichen Herausforderungen dabei sind:
Motivation
Finanzierung
Befähigung (Schulung)
Neben dem direkten personellen Effekt mag man auf einen Motivationsschub beim unterstützten Landesverband hoffen. Man will schließlich nicht durch Untätigkeit glänzen, wenn sogar schon die Kollegen aus anderen Bundesländern anrücken.
Man darf davon ausgehen, dass es vor allem der harte Kern der Straßenwahlkämpfer sein wird, der sich daran beteiligt. Das bedeutet, dass nicht nur tatkräftige Unterstützung, sondern auch Know-How anreist. Die Standarbeit mag dadurch nicht nur umfangreicher, sondern auch besser werden.
Warum sollte jemand eine kleine Reise auf sich nehmen, um anderswo im Wahlkampf Standarbeit zu machen? Daran hat sicherlich nur ein kleiner Teil der Straßenwahlkämpfer Interesse. Neben der allgemeinen ideellen Motivation, dass man der eigenen Partei auch anderswo gute Ergebnisse wünscht, kommen weitere in Frage:
konkretes politisches Interesse
Die betroffene Wahl mag von besonderer Bedeutung für die Gesamtpartei oder speziell für einen anderen Landesverband sein. Das ist der Fall, wenn viel auf dem Spiel steht (z.B. die Bundesratsmehrheit) oder man selber kurz darauf eine Wahl hat. Genosse Trend hat man immer gern auf seiner Seite. Man macht mit besserer Laune Wahlkampf, wenn die Kollegen anderswo gerade eine Wahl gewonnen, als wenn sie sie verloren haben. Insbesondere in einem "Superwahljahr" möchte man die Serie gut beginnen, um das Siegerimage zu nutzen, statt gegen ein Verliererimage anzukämpfen.
Anerkennung
Dieser Partei fehlt bekanntlich die Anerkennungskultur. Das, was "eben gemacht werden muss", wird als selbstverständlich zu machen vorausgesetzt. Das wäre bei zugereisten Wahlkampfhelfern ganz anders. Niemand kann erwarten, dass man so etwas tut. Dementsprechend sollte die Würdigung ausfallen, sowohl bei den Unterstützten als auch in der Heimat. Diesen Aspekt kann die Partei in großem Umfang gestalten.
Begleitprogramm
Wenn man dort helfen soll, wo man sowieso gern hinfährt, fällt einem diese Entscheidung leichter. Noch leichter fällt sie einem, wenn einem ein spezielles Programm geboten wird.
Wenn sich in der Größenordnung von 100 Parteimitglieder irgendwo zum Feiern treffen, gibt das zudem schöne Bilder.
Grundsätzlich darf man wohl auch unterstellen, dass engagierte Wahlkämpfer nach ein, zwei Jahren Wahlkampfpause auch mal richtig Lust haben, wieder Wahlkampf zu machen. Und wenn es nicht in Arbeit ausartet, weil es nur ein Tag ist, um so mehr.
Wenn sich dieses Verfahren etabliert, kommt der Effekt hinzu, dass man selber davon profitiert, dass später andere zu einem kommen, um dann dort zu helfen. Und es mag sich herausstellen, dass Wahlkampf viel mehr Spaß macht, wenn man ihn dadurch ein wenig zelebriert, dass man immer irgendwas für die Gäste organisieren muss.
Wenn die Unterstützung hinreichend spektakulär ausfällt, ist zudem denkbar, dass der unterstützende Landesverband dadurch Presse bekommt. Wenn es also – als extremes Beispiel – die Berliner schaffen sollten, am selben Tag 50 Leute in den Zug nach Hamburg zu setzen, dann ist das Gruppenfoto vor der Abfahrt sicherlich zeitungstauglich.
Die meisten Leute werden deutlich weniger Lust verspüren, nach Klein Kleckersdorf zu fahren, als nach z.B. Hamburg zu fahren. Wenn man nicht zufällig direkt an der Landesgrenze wohnt und Klein Kleckersdorf nur ein paar Kilometer entfernt ist. Auch ein attraktives Rahmenprogramm lässt sich leichter organisieren, wenn auf beiden Seiten viele Leute involviert sind.
Wirklich relevant ist diese Möglichkeit deshalb wohl nur für Großstädte, in denen die Grünen aber sowieso am besten abschneiden, weswegen sich die zusätzliche Mobilisierung dort am meisten lohnt. Wenn man externe Unterstützung für Kleinstädte organisieren will, ist das wohl am ehesten über den Umweg realistisch, dass die Leute desselben Landesverbands aus den Großstädten dort aushelfen, wo sie von den Helfern aus anderen Bundesländern ersetzt werden.
Am besten eignen sich dafür die Stadtstaaten: Sie sind attraktive Reiseziele, und schon in direkter Umgebung gibt es Kollegen, die nicht durch eigenen Wahlkampf gebunden sind. Berlin fällt da wohl aus. Die Brandenburger kämen sich wohl komisch vor, als Helfer nach Berlin zu fahren, wo die großen Kreisverbände einzeln genauso viele Mitglieder haben, wie ihr eigener Landesverband, aber die Hamburger würden sich vielleicht revanchieren und könnten dann in den schwachen Nordwest- und Ostbezirken helfen.
Am besten eignet sich für so ein Projekt wohl Hamburg: Gleich zwei benachbarte Landesverbände, die dafür werben können, dazu die Großstädte Lübeck, Kiel, Bremen und Hannover in akzeptabler Entfernung, dazu die gute Zuganbindung nach Berlin mit seinem immensen Potential an Helfern.
So ein Vorhaben ist nicht nur nützlich, sondern auch mit Kosten verbunden. Diese entstehen durch:
An- und Rückreise
Mobilität vor Ort
vermeidbar: Unterbringung
Bespaßung der Gäste (Abendprogramm & Touri-Programm am Sonntag)
Für die Finanzierung kann in allen betroffenen Landesverbänden um Spenden geworben werden. Wer möchte schon, dass weniger Wahlkämpfer im Einsatz sind, als man hätte haben können, nur weil weiteren die Anreise nicht bezahlt werden konnte? Man kann auf beiden Seiten für die Aktion werben:
Hast Du Lust, mit nach XY zu fahren, um die Kollegen dort zu unterstützen? Oder würdest Du anderen durch eine kleine Spende diese Unterstützungsfahrt finanzieren?
Würdest Du einen derjenigen, die im Wahlkampf für zwei Tage hierher fahren, bei Dir unterbringen? Oder würdest Du durch eine Spende die Anreise weiterer Helfer ermöglichen?
Die Unterbringer und Spender würde man dann auch auf die Partys einladen, was ein zusätzlicher Anreiz wäre.
Auch wenn man die externen Helfer nur zusammen mit kompetenten Leuten von vor Ort einsetzten würde, sollte man sie dennoch schulen, damit sie mit den wichtigsten Inhalten des Wahlkampfs vertraut sind. Das kann auf einer Abendveranstaltung passieren, möglicherweise auch bei der Anreise.
Zu solchen Schulungen sollte man auch die Mitglieder des unterstützten Landesverbands einladen, insbesondere die passiven Mitglieder. Je überzeugender die politisch argumentieren können, desto eher werden sie privat das Gespräch mit Leuten suchen, die noch bekehrt werden müssen.
Der typische Ablauf könnte so aussehen:
Freitag, später Nachmittag: Anfahrt
Freitag abend: Schulung
Samstag, Vormittag bis Nachmittag: Standarbeit
Samstag abend: Party
Sonntag, Vormittag bis Nachmittag: touristisches Programm
Sonntag, später nachmittag (am Wahltag: später Abend): Rückfahrt
Zur Motivationssteigerung könnte man Promis (Landes- oder Fraktionsvorsitzende) aus dem unterstützenden Landesverband mitschicken, die dann den Tag über die eigenen Leute an ihren Ständen besuchen. Auf diese Weise fühlt man sich stärker gewürdigt, in diesem Fall sogar durch den Heimatverband, in dem einem das vermutlich noch wichtiger ist.
Man mobilisiert womöglich mehr Helfer, wenn aus dem abstrakten Berlin hilft Hamburg
ein greifbareres Berlin Steglitz-Zehlendorf und Treptow-Köpenick helfen Hamburg Altona
wird. Dafür könnten Vertreter der zu unterstützenden Kreisverbände im Vorfeld des Wahlkampfs große Kreisverbände besuchen, die Unterstützer schicken sollen. Wenn sich jemand vor der KMV hinstellt und persönlich um Helfer wirbt und neben den Infostand-Standorten (die Externen sollte man an den attraktivsten Standorten einsetzen) vorstellt, was den Helfern abseits der Standarbeit geboten wird, fällt die Reisebereitschaft sicherlich höher aus. Man kennt ja immer gern diejenigen, mit denen man dann ggf. zu tun hat.
Idealerweise wird der Gast auf seiner Werbetour von einem hochrangigen Mitglied des unterstützenden Landesverbands begleitet, das bei dieser Gelegenheit die Bedeutung der konkreten Wahl oder der wechselseitigen Hilfe für den eigenen Landesverband unterstreicht.
Es ist der Motivation sicherlich nicht abträglich, wenn hochrangige Vertreter des unterstützten Landesverbands nach der Wahl den nächsten Landesparteitag der ernsthaft unterstützenden Landesverbände besuchen, um sich dort für die Hilfe zu bedanken. Wenn die Wahl "erfolgreich" war, mag das statt der Landesvorsitzenden jemand aus der Landesregierung übernehmen. Dann "sieht man, was man mit ermöglicht hat".
Man hat keine zweite Chance für einen ersten Eindruck. Wenn man dieses Projekt in Angriff nimmt, dann möchte man, dass das kein Rohrkrepierer wird, sondern die erste von vielen Aktionen dieser Art. Die vielen kommen aber wahrscheinlich nur zustande, wenn die erste ein Erfolg war. Deshalb sollte der Bundesvorstand der Partei sich an der Werbeaktion beteiligen.
Wenn man die Wahl in Hamburg im Februar 2011 als ersten Versuch anpeilt, hat man außerdem die günstige Gesamtsituation auf seiner Seite: Neben der günstigen geografischen Ausgangslage als Stadtstaat passt das politische Umfeld: In Bremen wird kurz darauf gewählt, in Niedersachsen ein halbes Jahr später immerhin auf kommunaler Ebene, die Berliner hätten vor ihrer Wahl auch gern eine Erfolgsserie, und ein Jahr später sind die Schleswig-Holsteiner dran. Von der Entfernung her erscheint es natürlich ineffizient, aber angesichts der Bedeutung eines guten Wahlergebnisses als Vorlage schicken vielleicht sogar die Stuttgarter ein paar Leute.
http://www.hauke-laging.de/gruene/