Vorschlag für eine Produktinnovation

Funkübermittlung und Archivierung unfallrelevanter Daten

Version 1.0/1.5, 04.01.2005

Hauke Laging, Grazer Platz 22, 12157 Berlin, Tel.: 030/32603660, mobil: 0172/7630883, E-Mail: hauke@laging.de
Student des Wirtschaftsingenieurwesens und Mitarbeiter des Lehrstuhls für Technologie- und Innovationsmanagement an der Technischen Universität Berlin.

Übersicht


Ausgangslage – das Problem des Kunden – Übersicht

Verkehrsunfälle sind auf Grund ihrer notorisch bemitleidenswerten Beweislage der Horror der Justiz und der Betroffenen. Kaum irgendwo liegen Recht haben und Recht bekommen so weit auseinander. Auch wenn Zeugen in Verkehrsprozessen im allgemeinen wenig brauchbar sind, ist es dennoch unerfreulich, dass vorhandene Zeugen, sofern sie nicht anhalten, nicht benannt werden können, wenn man nicht – unwahrscheinlicherweise – die Kennzeichen erfasst hat.

Ziel – Übersicht

Durch eine neue Technik sollen (möglichst) alle Unfallbeteiligten in die Lage versetzt werden, die prozessrelevanten Daten sofort zur Verfügung zu haben und uneingeschränkt vor Gericht verwenden zu können. Es ergeben sich aus der vorgeschlagenen Lösung ohne Mehrkosten weitere interessante Einsatzmöglichkeiten, die ich am Ende gesondert vorstelle.

technische Umsetzung – Übersicht

Realisierung

Der Vorschlag setzt folgende Dinge voraus:

  1. ein Nahbereichsfunksystem

  2. eine (von anderen sofort verifizierbare) digitale Signatur im Fahrzeug

  3. eine Komponente, die Zugriff auf das Funksystem, die digitale Signatur und einige Fahrzeugdaten hat

  4. eine Möglichkeit, eigene und empfangene Daten zu speichern (eventuell mit sowieso vorhandener Hardware möglich)

Die Funktionsweise wäre die, dass mit diesem System ausgestattete Fahrzeuge einander erkennen und dann digital signiert ihre Fahrdaten austauschen: etwa Geschwindigkeit, Lenkereinschlag, Lichtzustand, Brems- und Blinkerbetätigung, Bodenhaftung. Wenn es dann zum Unfall kommt, sichert das eigene System die zuletzt erhaltenen Daten sowie die eigenen, anstatt sie gleich wieder zu löschen, und jeder Unfallbeteiligte kann nicht nur die eigene, sondern auch noch die Fahrsituation des anderen nachweisen, ohne auf die weitere Mithilfe des Unfallgegners angewiesen zu sein.

Ganz nebenbei würden die Identitäten aller entsprechend ausgerüsteten Fahrzeuge in der Nähe erfasst, so dass man eine gute Chance hätte, mögliche Zeugen später ausfindig zu machen.

mögliche Probleme

Geschwindigkeit, Reichweite & Störungen

Da das System bei einem Unfall beschädigt werden kann und außerdem – Fahrerflucht – auch nach einem Unfall die beteiligten Fahrzeuge nicht zwangsläufig in räumlicher Nähe zum Stillstand kommen, muss das System während der Fahrt funktionieren und das auch bei hohen Relativgeschwindigkeiten. Die Reichweite stünde dabei in einer Abhängigkeit zur Frequenz, mit der die Anwesenheit entsprechender Fahrzeuge in der Umgebung überprüft wird. Je größer die Reichweite, desto seltener müsste ein solcher Broadcast ausgelöst werden (was sich aber letztlich nur auf den Stromverbrauch auswirkte.

Manipulierbarkeit

Um die Beweisfähigkeit zu erlangen, müssten Manipulationen am System quasi unmöglich sein. Dies erscheint realisierbar, denn ein Eingriff in die Fahrzeugelektronik ist im Zweifelsfall eine komplizierte Angelegenheit. Dennoch denkbare Manipulationen müssten später durch Begutachtung des Fahrzeugs nachweisbar sein.

Missbrauch der Daten

Es müsste irgendwie – am besten rechtlich – sichergestellt werden, dass die Autofahrer nicht abseits von Unfällen durch das fröhliche Versenden signierter Geschwindigkeitsangaben von der Ordnungsmacht belangt werden können.

Die Daten könnten ohne relevanten Mehraufwand jeweils verschlüsselt zwischen den beteiligten Parteien übertragen werden, so dass sie nicht einfach passiv mitgehört werden können, von wem auch immer.

Denkbar wäre auch, dass die Daten nicht mit den Schlüsseln der beteiligten Fahrzeuge, sondern einem zentralen Schlüssel verschlüsselt werden, so dass die empfangenen Daten nur auf richterliche oder wenigstens polizeiliche Anweisung hin gelesen werden könnten (von einer Behörde). Der Empfänger wüsste dann zwar nicht mit Sicherheit, dass er brauchbare Daten bekommt, aber wer daran herummanipuliert (was extrem schwierig sein sollte), könnte ja genausogut manipulierte für den Empfänger lesbare Daten senden, da entsteht also kein Vertrauensverlust. Außerdem würde dann ja Datenmüll digital signiert - da käme derjenige ganz schön in Erklärungsnot. Obendrein müssten die Fahrdaten der beiden Fahrzeuge ja auch noch mit dem Unfallhergang konsistent sein.

Da so ein System international genutzt werden sollte, die Rechtsgrundlagen aber uneinheitlich sind, müsste womöglich veränderbar, aber auf jeden Fall leicht einsehbar sein, welche Daten das Fahrzeug übermittelt und speichert.

Löschen und Sichern der Daten

Im Normalfall müssten die empfangenen Daten nach kurzer Zeit gelöscht/überschrieben werden. Dies könnte gesetzlich dadurch unterstützt werden, dass entsprechende Geräte so gebaut müssen werden könnten, dass sie nur eine sehr begrenzte Speicherkapazität haben. Fraglich ist, wie dieser Prozess gestoppt wird. Dies kann bei schwerwiegenden Unfällen, die vom Fahrzeug erkannt werden (etwa bei Airbag-Auslösung), automatisch geschehen. Zumindest in zeitlicher Hinsicht kritisch ist die Dokumentation benachbarter Fahrzeuge bei Fahrerflucht nach Rämplern beim Ein-/Ausparken. Hier kommt der Fahrzeugführer womöglich erst Stunden später an sein Fahrzeug zurück - und muss den Schaden nicht sofort bemerken.

Denkbar wäre, Daten während der Fahrt anders zu behandeln als solche beim Parken: Während der Fahrt erhobene Daten werden schnell überschrieben, beim Parken werden nur die Identifikationen der Fahrzeuge in der Nähe erfasst und einige Tage gespeichert.

In jedem Fall muss eine manuelle Möglichkeit geschaffen werden, den Überschreibprozess zu blockieren - für ein paar Tage etwa. Der Betroffene könnte dann an autorisierter Stelle, etwa bei der Polizei, seine Daten auslesen und für ein eventuelles Verfahren eine gewisse Zeit verwahren lassen.

Wie lange sollen die eigenen Daten gespeichert werden dürfen? Siehe nächster Abschnitt.

Verwendbarkeitsbereich der Daten, Umfang der Daten

Es stellt sich die politische Frage, ob das System nur für geschehene Unfälle oder auch für vermiedene genutzt werden soll. Dürfen die Daten verwendet werden, wenn ein Verkehrsteilnehmer einen anderen wegen Fehlverhaltens anzeigt, das keinen Unfall zur Folge hatte? Wenn ja, werden die Bedenken gegen das System beträchtlich sein. Davon nicht zu trennen ist die Frage, was alles protokolliert wird: Nur Fahrdaten im engeren Sinn oder auch Blinker, Lichthupe, Hupe?

Was ist mit den Daten im Fall eines Unfalls ohne Fremdbeteiligung? Kann die Polizei die Herausgabe der eigenen Daten erzwingen, um etwa überhöhte Geschwindigkeit als Ursache prüfen zu können? Oder dürfen die Daten im Fall einer geringfügigen Alkoholisierung verwendet werden, um Fahrfehler nachzuweisen?

Dürfen "zufällig" erhobene Daten verwendet werden, also etwa die aus den obigen Beispielen, die von sich zufällig in der Nähe befindlichen Fahrzeugen aufgefangen wurden?

Hat der Fahrzeughalter freien Zugang zu den Fahrdaten des eigenen Fahrzeugs? Dies ist nicht unproblematisch, weil Fahrzeuge vielfach von anderen gefahren werden. Darf der Arbeitgeber auf diese Weise Geschwindigkeitsüberschreitungen seiner Arbeitnehmer ermitteln?

technischer Fortschritt

Man kann nicht davon ausgehen, dass eine heute brauchbare Technik bin in alle Ewigkeit Verwendung findet. Bei einem auf Kompatibilität basierenden System sollte dies bereits im Vorfeld bedacht werden.

Unsicherheit des Entwicklungserfolgs

digitale Signatur

Das System setzt eine funktionierende (internationale) PKI voraus, damit die Fahrzeuge die Authenzität der Signaturen der anderen Fahrzeuge überprüfen können. Darum müsste sich wohl das Bundesverkehrsministerium bemühen. Allerdings ist an dieser Stelle Unterstützung angebracht, denn sonst dauert das ein Jahrzehnt. Zu berücksichtigen ist das Problem, das die Schlüssel nur eine begrenzte Gültigkeitsdauer haben dürfen, sie könnten etwa bei der Hauptuntersuchung erneuert werden. Dies müsste einerseits auch im nicht immer absolut akkuraten Dauerbetrieb sicher sein, dürfte andererseits aber nicht aufwendig (teuer) sein.

Entwicklungskosten und -dauer, Investitionsbedarf

Da das Konzept nichts technisch revolutionär Neues beinhaltet, sondern lediglich vorhandene Daten (in etablierter Weise) verarbeitet (nämlich verschlüsselt/signiert/prüft) und in einem Funknetz verteilt, dürften die wesentlichen Realisierungshindernisse im politischen und Marketingbereich liegen, nicht im technischen. Kritisch wäre allenfalls, falls die günstige, etablierte Funktechnik nicht für hohe Relativgeschwindigkeiten geeignet sein sollte. Dann müsste man sich wohl auf die Situationen beschränken, in denen die Fahrzeuge nach einem Unfall in Funkreichweite zum Stehen kommen (und noch funken können), da die Entwicklung geeigneter Alternativen leicht den Kostenrahmen sprengen könnte. Wesentlicher Vorteil des Konzepts ist ja gerade seine Kostengünstigkeit.

Kosten

Bis auf das Funksystem, die besonders (gegen Manipulation) gesicherte Elektronik und die Speichereinrichtung (wenn überhaupt nötig) wäre das System eine Softwarelösung. Da Bluetooth schon heute zur Standardausstattung aller Notebooks und vieler PCs gehört, kann eine für diese Zwecke geeignete Funktechnik in wenigen Jahren nicht mehr teuer sein, zumal man auch mit Abstrichen an die mögliche Relativgeschwindigkeit und die Reichweite starten könnte (also etwa mit Bluetooth).

Kosten fielen dann noch beim Aufbau der PKI an. Irgendwer muss die administrativen Kosten tragen. Mit etwas Glück machen das der Bund oder die Versicherer.

Marktchancen – Übersicht

Zielgruppen, Preisspanne

Zielgruppe wären ohne Einschränkung alle Autofahrer, wobei der Nutzen mit dem Unfallrisiko steigt, also etwa bei Vielfahrern und Fahrzeugflottenbetreibern. Der durchsetzbare Preis hätte seine Grenze im kalulierbaren Nutzen eines solchen Systems, jedenfalls bei Flottenbetreibern, die wirklich derart rechnen. Bei privaten Autobesitzern stellt sich eher die Frage, was ihnen der vermiedene Stress wert ist (und wieviel sie an Haftpflichtprämie sparen).

Besonders bei der Ermittlung der Zahlungsbereitschaft sollten die denkbaren Erweiterungen (siehe Ende des Dokuments) berücksichtigt werden. Durch die Vermeidung von Unfällen kann insgesamt Geld gespart werden (noch mal der Hinweis auf die Versicherungsprämien), und die Aussicht auf eine effektivere Unfallrettung (die nicht auf Netzwerkeffekte, also eine hohe Verbreitung, angewiesen ist) ist dem Durchschnittskunden sicher auch etwas wert.

Vermarktung

Warum sollte jemand Geld für ein System ausgeben, das ihm im durchaus rechtliche Probleme einbringen kann? Weil es die einzige verlässliche Möglickeit für ihn ist, von dem System zu profitieren. Zumindest durch die nicht seltenen Fälle von Fahrerflucht bei der Beschädigung parkender Fahrzeuge ist es sehr viel wahrscheinlicher, von dem System einmal zu profitieren, als davon in Bedrängnis gebracht zu werden. Außerdem verhindert es Fehlverurteilungen – man bekommt nur noch für die echten eigenen Untaten Ärger, nicht mehr für die, die irgendwer einem andichtet. Das stellt insgesamt eine echte Verbesserung dar. Obendrein ist es denkbar bis wahrscheinlich, dass die Haftpflichtversicherer wegen der reduzierten Prozesskosten ihre Prämien für die Nutzer dieser Technik senken. Langfristig ist denkbar, dass so ein System gesetzlich vorgeschrieben wird.

Imitationsrisiko

Ein solches System hätte nur als offener Standard eine Chance, und womöglich sogar erst dann, wenn Konkurrenzprodukte verfügbar (oder zumindest absehbar) sind. Aber als Erstanbieter hätte man bei hoher Produktqualität und Fertigungskapazitäten einen Stückzahlvorteil gegenüber dem Wettbewerb. Hinzu käme der Imagegewinn, der sich natürlich nicht imitieren lässt. Da dieses System einen weitaus größeren Eingriff in den Straßenverkehr darstellte als beinahe jede andere technische Neuerung, wäre es im Bewusstsein der Kunden auch ganz anders verankert. Der Erstanbieter bzw. Protagonist der Einführung eines solchen Systems könnte mit mit positiver(?) Presse rechnen.

Alternativen

Alternative zu diesem Konzept sind die bereits vorhandenen Produkte mit ihren eingangs aufgeführten inhärenten Nachteilen.

Erweiterungen – Übersicht

Die folgenden Erweiterungsansätze wären (im wesentlichen bzw. je nach Fahrzeugausstattung) direkt mit dem oben dargestellten System nutzbar, ohne weitere Hardware und Kosten.

Verkehrsinformationen

Wenn die PKI erst einmal da ist und viele Fahrzeuge per Funk angesprochen werden können, könnten (punktuell) Verkehrsinformationen wie Tempolimits, Parkverbote, Stauwarnungen, Glättewarnungen usw. an alle vorbeifahrenden Fahrzeuge übermittelt werden, die diese dann je nach Implementierung irgendwie dem Fahrer zugänglich machen können.

Weitergabe des Straßenzustands und kritischer Fahrmanöver

Auch außerhalb von Unfallsituationen können Fahrzeuge für andere Fahrzeuge relevante Informationen an diese übermitteln, etwa Erkenntnisse über den Straßenzustand (etwa Glätte wegen Nässe oder Schnee/Eis, Seitenwind), außergewöhnliche Fahrmanöver (starkes Bremsen, drastische Richtungsänderungen, Schleudern) und zwecks Reichweitevergrößerung weitergeleitete Daten anderer Fahrzeuge, etwa Vorwarnungen sich nähernder Fahrzeuge mit Sonderrechten. Darauf könnten die folgenden Fahrzeuge mit einer Warnung des Fahrers und ggf. auch aktiven Maßnahmen (Mitbremsen) reagieren. So ließen sich zumindest Auffahrunfälle wirksam reduzieren. Dies gälte insbesondere für Auffahrunfälle auf Grund schlechter Sichtverhältnisse, also bei Nebel oder Stauenden, aber auch havarierte Fahrzeuge könnten den herannahenden Verkehr warnen.

Unfallalarmierung

Wenn ein massenhaft verbreitetes System für den Funk verwendet würde wie etwa Bluetooth, könnte das System automatisch auch mit Mobiltelefonen u.ä. kommunizieren. Somit könnte ein fataler Fahrzeugzustand (ausgelöster Airbag oder sonstwie erkannter Unfall) per Funk mitgeteilt werden, optimalerweise zusammen mit (GPS-)Positionsdaten, falls vorhanden. Typischerweise befindet sich in jedem Auto mindestens ein Mobiltelefon. Diese könnten dann geeignete Maßnahmen ergreifen, womöglich sogar eine Alarmierung noch in den Millisekunden auslösen, die ihnen bleiben, bis sie unfallbedingt irgendwie zerstört oder zumindest unbrauchbar gemacht werden.

Mautsysteme

Mit einem weiteren Blick in die Zukunft wäre zu erwähnen, dass eine solche Technik - Funk mit eindeutiger und beweisbarer Fahrzeugidentifizierung - ganz toll für jedes Mautsystem ist. Es sollte also die Möglichkeit geschaffen werden, noch gewisse Nutzdaten später ins System integrieren zu können.

Fahndung

Auch wenn der Fahrzeugdiebstahl durch die voranschreitende Technik zusehends erschwert wird, ist es ein interessanter Gedanke, dass die Polizei an vielbefahrenen oder dafür sonstwie wichtigen Verkehrswegen Lesegeräte aufstellen könnte, die die passierenden Fahrzeuge erkennen. Die Behörden hätten die Zuordnung zu den Kennzeichen und könnten so in groben Zügen Fahrzeuge verfolgen. Dies mag allerdings - schon als reine Option - die Bedenken von Datenschützern wecken.


Änderungen am Dokument – Übersicht

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