Vorschlag für eine Produktinnovation

rechnerspezifische Linuxdistributionen

Version 1.2/1.7, 20.06.2005

Hauke Laging, Grazer Platz 22, 12157 Berlin, Tel.: 030/32603660, mobil: 0172/7630883, E-Mail: hauke@laging.de

Student des Wirtschaftsingenieurwesens und Mitarbeiter des Lehrstuhls für Technologie- und Innovationsmanagement an der Technischen Universität Berlin.

Übersicht


Zusammenfassung – Übersicht

Ziel des Vorschlags ist die Erschließung neuer Kundengruppen durch minimale technische Änderungen der bestehenden Distribution (das Ausblenden beinahe jeder Auswahlmöglichkeit) und geschicktes Marketing. Die Neuerung läge darin, dass eine angepasste Version der Distribution für eine spezielle (weit verbreitete) Rechnerkonfiguration angeboten würde.

Ausgangslage – das Problem des Kunden – Übersicht

Zu den gewichtigen Gründen, die die Masse der Windows-Nutzer davon abhält, sich mit Linux zu beschäftigen, gehören folgende:

  1. mangelnde Kenntnis, gering ausgeprägtes Interesse, Softwareabhängigkeiten

  2. Sorge um die Komplexität der Installation (befürchtete oder reale eigene Unfähigkeit, gewisse Einstellungen vorzunehmen), Horrorgeschichten - SPIEGEL ONLINE hat kurzlich Großartiges in diesem Zusammenhang "geleistet" - über Probleme mit bestimmter Hardware

  3. Die meisten DAUs fühlen sich von Linux auch in dem Sinne nicht angesprochen, dass sie kaum den Eindruck haben dürften, zur Zielgruppe zu gehören.

Die Punkte unter 1. lassen sich kaum adressieren, aber die anderen soll der folgende Vorschlag abschwächen.

Ziel – Übersicht

Dem Käufer eines Rechners, der in hinreichend großen Stückzahlen verkauft (primär die "Superschnäppchen" bei ALDI und Konsorten) und vor allem von einer technisch wenig versierten, also bisher schlecht erreichten Zielgruppe gekauft wird, soll eine Version der Distribution angeboten werden, die seinen Rechner kennt. Diese Version ließe sich dann "im Idiotenmodus" installieren: DVD rein, zweimal Enter drücken, nach 30 Minuten einloggen. Der Installationsvorgang hätte die "Komplexität" einer Windows-Recovery-CD.

technische Umsetzung – Übersicht

Realisierung

Die Standarddistribution könnte mit einem Mechanismus versehen werden, der das Vorhandensein bestimmter Konfigurationsdateien abfragt (so etwas gibt es in Ansätzen ja bereits). Diese enthielten dann alle nötigen Angaben zur fraglichen Hardware und eine feste Softwareauswahl. Voraussetzung wäre allein, dass noch genügend Platz auf der Festplatte ist. Aber angesichts der heutigen Kapazitäten erscheint das als theoretisches Problem.

Konfigurationsdaten auf zweitem Datenträger

Es wäre sinnvoll, einen Mechanismus vorzusehen, der es erlaubte, nur die nötigen Daten auf einem zweiten Datenträger unterzubringen, so dass Interessierte sich diese herunterladen und selber brennen können. Denkbar wäre das Abfragen einer entsprechenden CD, die dann kurzzeitig einzulegen wäre, damit die Konfigurationsdateien für die Installationsroutine kopiert (oder eingelesen) werden können. Das schafft auch der unterdurchschnittlich kompetente Windows-Anwender noch. Hier wäre möglicherweise problematisch, dass der Datenträger mit dem root-Dateisystem ausgehängt werden müsste. Außerdem müsste eine entsprechende Auswahl in einem Menü der normalen Distribution vorgenommen werden, was nicht dem Minimalismusanspruch entspräche. Vorteilhaft wäre, dass man nicht zwangsläufig eine CD bräuchte. Ein USB-Stick etwa täte es auch.

Loader-CD

Die Alternative wäre, ein kleines CD-Image bereitzustellen, dass lediglich Linux bootet (einen an die fragliche Hardware angepassten und daher sehr kleinen Kernel), den (modifizierten) Installer mit den entsprechenden Konfigurationsdateien startet und dann den Originaldatenträger einlegen lässt. Ebenfalls idiotensicher.

Komplett neues, angepasstes Distributionsmedium

Technisch am einfachsten dürfte es sein, einfach die Standard-DVD anzupassen (mit der jeweiligen Konfigurationsdatei). Dabei könnten Konfigurationen für mehrere Rechner auf dem Medium gespeichert werden, von denen die richtige automatisch erkannt würde. Beim Start würde dann geprüft, ob es sich auch um einen entsprechenden Rechner handelt. Wenn nicht (und auf Wunsch), würde die normale Installationsroutine gestartet. Bei der Gelegenheit könnte man die aktuellen Patches mit reinnehmen.

Dieser Weg könnte sinnvoll nur alternativ angeboten werden, da er sich für Downloads nicht eignet und eine DVD erfordert.

technische Grenzen

Wenn ein Rechner, der sich von der Stückzahl her eignet, mit Hardware bestückt ist, die einen reibungslosen Betrieb unter Linux entweder verhindert oder aber Linux "nicht gut aussehen" lässt, weil die Hardware nicht genutzt werden kann, dann würde man das Angebot auf diese Rechnerreihe wahrscheinlich nicht ausdehnen. Alternativ könnte man, sofern das möglich ist, die problematischen Komponenten einfach auslassen.

Außerdem wäre zu überlegen, ob man sich auf Rechner einlässt, die lediglich mit einer Recovery-CD geliefert werden, die dann auch die schöne Linux-Installation immer platt machte (Supportterror...). Diesem Problem könnte man noch ausweichen, indem - genügend Platz auf der Platte vorausgesetzt - man die Linux-Installation die Windows-Recovery-Funktion übernehmen ließe (dd-Backup).

Erweiterungen der Hardware

Die vorgegebene Konfiguration würde Linux zunächst nur mit Unterstützung für die bekannte Hardware installieren und auf jede darüber hinausgehende Hardwareerkennung verzichten, um dem "reinschieben - läuft"-Konzept gerecht zu werden. Zu überlegen wäre, inwieweit man vorhandene Mechanismen der automatischen Hardwareerkennung deaktiviert, um nicht das, was man werbewirksam vermeiden möchte, auf den nächsten Bootvorgang zu verschieben. Es mag sinnvoll sein, die Hardwareerkennung nur auf explizite Anforderung hin durchzuführen (könnte man im Bootloader auswählen).

Kosten

Diese Versionen hätten natürlich das Problem relativ geringer Auflagen von vielleicht einigen hundert pro PC-Serie. Der jeweilige Erstellungsaufwand wäre überschaubar, ein Tag Arbeit, wenn man es erst mal gewohnt ist. Andererseits besteht durchaus Grund zu der Annahme, dass durch die rigiden Beschränkungen die Supportkosten geringer ausfielen.

Marktchancen – Übersicht

Zielgruppen, Preisspanne, Umsatz, Vertrieb

Zielgruppe wären die technisch wenig kompetenten Leute, die man auf absehbare Zeit aus den eingangs genannten Gründen mit "normalen" Linux-Distributionen nicht erreichen wird. Aus diesem Grund erscheinen auch vergleichsweise geringe Stückzahlen und ein vergleichsweise hoher Aufwand akzeptabel, weil jeder Verkauf in dieses Segment den Linux-Markt vergrößerte.

Folgende Vertriebswege kommen in Frage:

Die Supermärkte (u.ä.) werden nicht kooperieren (der rechtlichen Vereinbarungen mit Microsoft).

Für den Vertrieb per Heft-CD ist relevant, dass eine Loader-CD problemlos mit "normaler" Software versehen werden könnte. Die Bootfähigkeit einer Softwaresammlungs-Heft-CD dürfte seltenst anderweitig genutzt werden, und Platz würde nicht viel benötigt.

Ganz problemlos könnten die Images der einzelnen Loader-CDs zum Download bereitgestellt werden. Fraglich ist dagegen, welchen Teil der Zielgruppe man dafür erwärmen kann, sich die CD runterzuladen und zu brennen. Dass die Deutschen angeblich ein Volk von CD-Brennern geworden sind, hilft einem ja wenig, wenn dies die fragliche Anwenderschicht gerade weniger betrifft. Allerdings werden viele engagierte Linux-Anwender anhand dieses Produkts einen neuen Anlauf unternehmen, Bekannten mit einem entsprechenden Rechner Linux aufzuschwatzen; die würden denen dann natürlich auch die Loader-CD brennen. Der Einwand, dass diese Leute sich die Distrubution dann ja nicht kaufen müssen, sondern sie sich kopieren (lassen) können, gilt nur sehr eingeschränkt, da es erst mal keinen Grund gibt, anzunehmen, dass dieser Effekt in diesem Szenario stärker ausgeprägt ist als sonst.

Die registrierten Käufer der normalen Distribution könnten die angepasste DVD oder eine Loader-CD gegen eine Schutzgebühr anfordern. Im Portal für registrierte Nutzer würden die Rechner angezeigt, die in dieser Weise unterstützt werden. Dass dadurch mehr "vollwertige" DVDs in Umlauf kommen, ist wohl nur bedingt problematisch, solange die Schutzgebühr höher ist als die Kosten für das Kopieren der DVD. Diese Maßnahme könnte also kostenneutral gestaltet werden.

zeitliche Entwicklung

Ich denke, dass die Zielgruppe für dieses Angebot nicht nur direkt zum Kauftermin empfänglich wäre. Entscheidend dürfte vielmehr sein, dass es eben ein Angebot speziell für den eigenen Rechner ist. Ob dieses Angebot nun sechs Tage oder sechs Monate alt ist - welchen Unterschied macht das für den Anwender? Keinen. Lediglich der Transport der Information wird schwieriger, weil die Presse natürlich nicht über Angebote für Altsysteme berichten wird.

Es mag daher durchaus Sinn machen, für die noch in großen Mengen im Markt befindlichen älteren Rechnerserien Loader-CDs anzubieten. Umgekehrt sollten die Loader-CDs nicht nur für eine Version der Distribution angeboten werden, zumal der Anpassungsaufwand gering sein dürfte.

Vermarktung

Die spannende Frage ist, wie man die Information über das Produkt an die Kunden bringt. Es besteht wohl berechtigte Hoffnung, dass die Laienpresse dieses neue Produkt aufgreifen und besprechen wird. Wenn zukünftig Sonderangebote von den PC-Purzeln angekündigt werden, könnte man versuchen, den entsprechenden Hinweis in die Meldung zu bekommen: "XYZ hat angekündigt, pünktlich zum Verkaufsstart eine Anpassung seiner Linux-Distribution kostenlos zur Verfügung zu stellen...".

Die mit diesem Vorschlag zu lösenden Probleme sind bei der Live-Eval-Version deutlich geringer, dennoch wäre überlegenswert, ob man die Loader-CD so gestaltet, dass sie auch mit der Live-Eval-Version funktioniert, um bei geringem technischen Aufwand die Marketingvorteile in diesen Bereich mitzunehmen.

Wenn ein potentieller Kunde sich für eine Distribution mit Loader-CD für seinen Rechner interessiert, will er natürlich wissen, ob es diese für ihn überhaupt gibt. Dafür müsste eine entsprechende Liste im Web gepflegt werden, die sinnvollerweise um ein kleines Windowsprogramm ergänzt würde, das man herunterladen kann, das den Rechner untersucht, die Datenbank auf eine Konfiguration für diese Hardware untersucht und dem Anwender meldet, ob es eine Loader-CD für ihn gibt und welche Bezeichnung diese hat. Dazu wären auch völlig ahnungslose Anwender in der Lage. Dieses Programm könnte dem Benutzer dann auch gleich anbieten, eine E-Mail mit einem erklärenden Text und der URL des passenden Images zu verschicken - vermutlich an jemanden mit mehr Ahnung, der auch sonst bei Computerproblemen konsultiert wird: "Hey, brenn mir das bitte mal auf CD, damit wir das ausprobieren können!"

Imitationsrisiko

Natürlich kann jeder Wettbewerber diese Maßnahme ohne große zeitliche Verzögerung imitieren, allerdings mag es gelingen, dass sich bei dieser Käuferschicht und auch bei der über die "Schnäppchen" berichtenden Presse der erste Anbieter im Gedächtnis festsetzt. Als Wettbewerber kommen hierfür natürlich nur Distributionen in Frage, die sich (auch) an Laien richten.

Die Marktgröße könnte sich als wirksame Wettbewerbsbarriere erweisen: Da die Stückzahlen so überschaubar sind, dass schon der Pionier sich überlegen muss, ob es den Aufwand lohnt, ist für einen Wettbewerber kaum noch etwas zu holen. Dementsprechend mögen die Wettbewerber aus wirtschaftlichen Gründen auf Konkurrenzprodukte verzichten, auch wenn diese sie technisch nicht vor Probleme stellten. Ein Wettbewerber hätte größere Probleme, sein Produkt bekannt zu machen, da er als Imitator weniger mediale Aufmerksamkeit bekäme. Dies gilt allerdings nicht für die erfahrenen Linuxbenutzer, die dieses Angebot nutzen, um andere Leute an Linux heranzuführen.

Markttest – Übersicht

Sehr spannend ist die Frage, mit welchem Aufwand ein entsprechender Versuch "in kleinem Rahmen" verbunden wäre, also etwa ohne die Möglichkeit einer postalischen Bestellung. Der technische Realisierungsaufwand fiele natürlich in jedem Fall an, erscheint aber überschaubar. Die bestehenden Kontakte zur Laien-Fachpresse könnten genutzt werden, um abzuschätzen, wie diese dem Produkt gegenübersteht und ob die fragliche Rechnerankündigung mit einem entsprechenden Hinweis versehen werden könnte.

Erweiterungen – Übersicht

Ausweitung

Es ist vorstellbar, dass dieses Angebot bei technisch wenig versierten Nutzern gut ankommt. In diesem Fall könnte das Angebot auf andere, noch relativ großzahlige PC-Konfigurationen ausgedehnt werden (wobei man sich auf die Bereitstellung von CD-Images beschränken könnte, um den Aufwand überschaubar zu halten.

Unterstützung durch die Linux-Gemeinde

Wenn die Tools verfügbar gemacht werden, mit denen die Loader-CDs erstellt werden, könnte man sich darauf einstellen, dass einige Leute Konfigurationen für weitere Rechnermodelle zur Verfügung stellen, etwa weil sie dies als Möglichkeit sehen, Linux ihren Bekannten schmackhaft zu machen. Durch die ausschließliche Anpassung von Konfigurationsdateien für die Erstellung des Images (inklusive Kernel und Kernelparameter) ohne Einbindung ausführbaren Codes bestünde da auch kein Sicherheitsrisiko. Diese Drittkonfigurationen könnten mit einem entsprechenden Hinweis veröffentlicht werden, aber ein Sicherheitsrisiko dürften sie nicht darstellen.

Support

Dies bezieht sich auf die ganz normale Distribution: Möglicherweise ist es praktikabel, bestimmte Supportprobleme durch Bereitstellung solcher Loader-Images zu lösen, etwa dann, wenn Softwarefehler (im Kernel oder im Installer) oder unausgereifte Treiber auf bestimmter Hardware Probleme machen. Das mag man so weit treiben, dass man für jede Version der Distribution eine entsprechend den Supporterkenntnissen angepasste, ständig aktualisierte Version eines Failsafe-Loaders bereitstellt. CD-Images kann man unter jedem Betriebssystem brennen. Für viele Leute mag das bequemer sein, als sich mit Kerneloptionen oder anderem Technikkram auseinanderzusetzen. In diesem Fall müsste eventuell der ebenfalls korrigierte Standardkernel von dieser Loader-CD installiert werden (statt des Originals, falls dieses dieselben Probleme wie der Boot-Kernel des Installationsmediums hätte). Im Handbuch und auf der Support-Startseite im Web könnte dann stehen: "Versuchen Sie es bei Installationsproblemen bitte erst einmal mit der neusten Version der Installationssoftware - Download."


Änderungen am Dokument – Übersicht

1.2